Aufwärmpause in Port Ghalib
In der zweiten Februar-Hälfte 2022 verbrachten wir ein paar erholsame Tage in Port Ghalib / Ägypten. Diese hatten wir nach unserem Ritt durch das Rote Meer auch nötig. Den Hafen kannte ich bereits aus meinen Tauch-Urlauben. Die Marina mit ihrem speziellen Flair noch nicht.
Einklarieren
Da wir einige Stunden früher als erwartet und angekündigt in Port Ghalib ankamen, zog sich die Einklarierung über den gesamten Tag hin.
Zunächst halfen uns ein paar freundliche Marina-Mitarbeiter und Sicherheitspersonal beim Anlegen. Kurze Zeit später kam unser Agent und begleite uns durch den Anmeldeprozess, der wie überall zu Covid-Zeiten neben Zoll, Einwanderungsbehörde und Hafenkapitän auch eine medizinische Kontrolle umfasste. Glücklicherweise wurden unsere Impfzertifikate akzeptiert. Ein weiterer teurer PCR-Test war nicht nötig. Allerdings mussten wir nachweisen, dass wir in keinem gelbfiebergefährdeten Gebiet waren und dass wir unsere Räume gegen Stechmücken ausgegast hatten. Dazu reichte ein normales Fliegengift-Spray, das wir an Bord hatten.
Unfreundlich wurde es erst am frühen Nachmittag. Der Zoll kam mit 3 Personen ungefragt an Bord und durchsuchte das Schiff. Die Drohne konfiszierten sie für die Dauer unseres Aufenthalts. Als ich die SD-Karte entfernte wurden sie erneut aggressiv und nötigten mich, die Fotos und Aufnahmen vorzuzeigen. Man hatte Angst, ich hätte bereits ägyptisches Territorium gefilmt. Dabei sind wir doch gerade erst angekommen. Danach wurde die Situation wieder freundlicher.
Am späten Nachmittag bekamen wir unsere Pässe zurück, vom Agenten die bestellte SIM-Karte fürs Internet und die Information, dass wir noch am gleichen Abend zu unserem Liegeplatz müssen. Dieser befindet sich am Beton-Kai direkt vor der Flanier-Meile der Urlauber. So haben wir noch nie gelegen. Ein bisschen freute ich mich auf dieses Urlaubs-Feeling.
Leider frischte der Wind inzwischen wieder auf und kam aus West, der Himmelsrichtung, aus der wir nicht durch Uferanlagen geschützt sind. Doch wir bekamen richtig gute Unterstützung. Ein gut abgefendertes Zodiak drückte die Aurelia in die richtige Position. Unser Bugstrahlruder wäre für den Wind zu schwach gewesen. Anschließend half man uns noch beim Festmachen an der Boje und am Kai.
Gegen 18:00 Uhr konnten wir endlich ein Anleger-Bier genießen und nach einem kurzen Gespräch mit unserem schwedischen Nachbarn Per ins Bett fallen.
Port Ghalib
Am nächsten Tag erkundeten wir die nähere Umgebung. Port Ghalib ist ein reiner Touristen-Hafen. Entlang des Kais gibt es viele Restaurants, Bars, eine Tauchschule u.v.m. In zweiter Reihe schließen sich die landestypischen Touristengeschäfte an. Vor jedem der kleinen Läden sitzt ein Verkäufer und spricht dich an, sobald Du näherkommst. „Hallo mein Freund, woher kommst Du? Ich habe hier feine xyz. Für dich ganz spezieller Preis.“ So oder ähnlich klang es den gesamten Weg in den Ohren. In den ersten Tagen war es ein Spießrutenlauf zu den sanitären Einrichtungen, die sich erst dahinter befanden. Mit der Zeit erkannten sie uns. Die verbalen Kaufanreize wurden moderater, aber bei weitem nicht Null. So ein Basar-Feeling ist schon beeindruckend und es gibt sicher Leute, denen das gefällt. Ich gehöre nicht dazu, zumindest nicht, was den akustischen Part betrifft.
Covid19 spielt in Port Ghalib keine Rolle mehr. Es gibt weder Masken noch Hinweise auf andere Hygienemaßnahmen. Statt dessen tragen die Drinks die Namen der Impfstoffe. Die Apotheken dagegen sorgen sich eher um den Nachwuchs, genauer gesagt, um seine Erzeugung.
Dennoch sind die Folgen der Pandemie zu spüren. Es gibt zwar mehr Urlauber, als ich erwartet habe, aber es ist nach wie vor nur ein kleiner Bruchteil von dem, was man sonst an Hot-Spots wie diesem erwarten kann. Von den vielen Hotels, die es rund um Port Ghalib gibt, sind derzeit nur zwei geöffnet.
Auf Eines sind wir am ersten Tag der Erkundung nicht gestoßen: Duschen. Sie hat man einfach vergessen. Segler müssen also an Bord duschen und das Seifenwasser direkt in das sonst glasklare Hafenwasser entlassen. Trotzdem ist es mit riesigem Abstand das sauberste Wasser, was ich je in einem Hafen gesehen habe. Positiv fiel auch auf, jeden Morgen ein Mitarbeiter der Marina mit einem Kescher den Kai ablief und alle Gegenstände aus dem Wasser fischte, die da nicht hingehören. So findet man nur wenig Plastikmüll innerhalb der gesamten Hafenanlage. Lediglich in den hinteren, bisher noch nicht genutzten Becken sammelt sich einiges an.
Audio-Terror
Etwas extrem Unangenehmes versalzte uns die Abende in Port Ghalib und darf deshalb nicht unerwähnt bleiben. Schräg neben unserem Liegeplatz befand sich die Eilly Bar. Ihre offenbar nicht aus der Pubertät entwachsenen Betreiber ließen nahezu jeden Abend die gleiche schreckliche Musik mit voller Lautstärke aus ihren Bass-Booster-Lautsprechern tönen. Über Geschmack lässt sich ja streiten, über angemessene Lautstärke bis zu einem gewissen Maße auch. Wenn man sich jedoch in der geschlossenen Kajüte mit geräuschunterdrückenden Lautsprechern unter der Bettdecke verkriecht und die Musik am Vibrieren des großen Zehs erkennt, ist es definitiv zu laut.
Gemeinsam mit anderen Skippern beschwerten wir uns regelmäßig darüber. Der Erfolg war mäßig. Immer wieder begann die Diskussion von neuem. Selbst der Hafenmeister konnte keine Lösung herbeiführen. Unser Hinweis, dass die Bar vielleicht deshalb leer blieb, weil man sich dort nicht verständigen kann, stieß auf taube Ohren. Das wiederum war nicht verwunderlich.
Marsa Mubarak / Imbarak
Am zweiten Tag machten wir uns auf den Weg zur nur 3 km entfernten Bucht Marsa Mubarak. Vor vielen Jahren war ich hier mehrmals tauchen. Damals wurde die Bucht gerade von Marsa Mubarak in Marsa Imbarak umbenannt, da der damalige Präsident gleichen Namens in Ungnade gefallen war. Inzwischen trägt sie ihn wieder und hat sich dramatisch verändert.
Die Bucht ist berühmt für eine hier lebende Sehkuh. Vor 15 Jahren war sie DIE Attraktion der Bucht, wenn sie den gelegentlich ankommenden Tauchbooten einen Besuch abstattete.
Damals gab es lediglich einen bewirtschafteten Strand mit Schirmchen und Bar. Jetzt befinden sich dort mehrere Hotels und unzählige Tauchboote geben sich die Klinke – oder besser Mooring Boje – in die Hand. Dabei gibt es derzeit kaum Urlauber. Wie mag das nur aussehen, wenn der Tourismus wieder anzieht? Ob die Seekuh tatsächlich noch hier lebt? An ihrer Stelle wäre ich längst weiter gen Süden gezogen.
Es ist eine Zwickmühle. Einerseits ist es wichtig, dass Menschen die Natur bewundern können und damit schätzen lernen. Andererseits trägt der intensive Tourismus zu Ihrer Zerstörung bei. Die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus – falls es den überhaupt gibt – ist eine weitere der vielen Herausforderungen, vor der wir stehen.
Wir genossen zunächst die Sonne am Strand. Später versuchten wir, zu schnorcheln. Das Wasser war extrem kalt. Bevor man vom Strand aus an den interessanten Riffen angelangt war, war man bereits durchgefroren. Selbst im Neopren-Anzug wurde es schnell frisch.
Leicht durchgefroren machten wir uns auf den Rückweg. Dabei trafen ein paar Kamele, die auf zahlende Kundschaft warteten.
SY Antares
Südlich des Hafens machten wir einen kleinen Umweg und besuchten das Wrack der Segelyacht Antares. Sie gehörte wohl einem deutschen Segler und lief Anfang der 2000er auf das hiesige Riff. Dort lag sie einige Jahre, bis sie an Land gezogen wurde. Nun dient sie als Mahnmal für die Tücken des Roten Meeres.
Immer noch liegen Teile des Interieurs in ihm. Alles Verwertbare hat jedoch neue Besitzer gefunden. Interessant ist der gute Zustand des Gelcoats. Die Beschichtung, die das Glasfaser vor zerstörerischen Umwelteinflüssen, insbesondere dem Salzwasser, schützt, ist trotz Sonne und Sand nach all den Jahren noch intakt.
Port Ghalib Village
In der Nähe des Hafens gibt es eine kleines Dorf. Es wuchs parallel zu den Hotels am Strand. Hier wohnen die Mitarbeiter der Hotels, Tauchbasen und ansässigen Geschäften und Dienstleistungen. Zum Pendeln sind die organisch gewachsenen Städte wie El Quesir, Luxor, Hurgada etc. viel zu weit weg.
Die Siedlung erinnert mich ein wenig an die Wohnkomplexe meiner Heimatstadt Hoyerswerda. Auf Grund der Pandemie wirkt sie recht verlassen. Dennoch werden die Geschäfte größtenteils am Laufen gehalten. Es gibt drei Lebensmittelläden, Restaurants, Imbisse, eine Wäscherei, einen Friseur und einiges mehr, was man so zum täglichen Leben benötigt.
Obwohl der Ort recht künstlich wirkt, kommt man hier dem wahren Leben Ägyptens ein kleines bisschen näher. Die Geschäfteinhaber drängen einem keine Produkte auf und im Restaurant kommt man auch mal mit dem einen oder anderen Ägypter ins Gespräch.
In die Wüste geschickt
In den folgenden Tagen genossen wir das ägyptische Urlaubsfeeling und die zunehmend angenehmer werdenden Temperaturen. Jakub nutzte die Zeit für einen Ausflug in die Wüste und brachte ein paar beeindruckende Bilder zurück.
Vorbereitungen zur Abreise
So langsam würden wir gern in das Mittelmeer aufbrechen. Doch das Wetter sieht noch nicht danach aus. Außerdem warten wir noch auf die Wind Hog, mit dessen Crew wir gern noch einen gemeinsamen Abend verbringen wollen. Die zweite Segelyacht, die uns seit den Malediven begleitete, ist mit technischen Problemen im Sudan gelandet und wird wohl erst weit nach unserer Abreise hier eintreffen.
Ich nutzte die Zeit für die weitere Planung und einige Wartungsarbeiten. Die wichtigste Reparatur war das Navigationslicht. Irgendwie gelang es mir, am Fuße des abgefallenen Flachsteckers der Backbordleuchte ein kleines Stückchen Kupfer freizuschleifen und ein Kabel anzulöten. Um es vor weiterer Korrosion zu schützen, lackierte ich die Stelle großzügig und füllte den Raum um die Kontaktstelle zusätzlich mit Heißkleber. Das hält hoffentlich bis zur nächsten Marina mit Ersatzleuchten.
Nicht weniger kritisch ist die gebrochene Führungsöse der Genua-Rückholleine. Nach der Demontage der Salon-Decke gelang es mir, sie gegen eine intakte, weniger wichtige aber baugleiche Öse Spi-Baum-Niederholers zu tauschen. Bis Europa sollte diese Lösung ausreichen. Dann habe ich wieder besseren Zugang zu Ersatzteilen.
Unerwartet kompliziert war das Tanken. Zwar verfügt die Marina über eine Tankstelle, die nicht einmal 100 m von der Aurelia entfernt ist, tanken darf man dort jedoch nur mit der Genehmigung des Zolls. Also musste der Agent wieder ran und den Papierkram erledigen. Als das am folgenden Tag erledigt war und wir schon mit unseren Kanistern an der Zapfsäule standen, informierte man uns, dass wir bei Zahlung in lokaler Währung bis Nachmittag warten müssen. In Dollar hätte es sofort geklappt. Ich verkniff mir jegliche Frage nach dem Sinn und wartete.
Aufbruch
Die Wetterprognose empfahl eine Abfahrt am Morgen des 4. März. Zwar müssen wir anfangs wieder gegen den Wind kreuzen, sollten aber im Golf von Suez ohne großen Gegenwind mit dem Motor der Verkehrstrennungszone folgen können. Wenn man es sportlich nimmt, könnte man im Golf auch segeln. Man muss jedoch auf Riffe, alte Ölbohrplattformen und starken Schiffsverkehr Rücksicht nehmen. Für einen Tagesritt kein Problem, bei einer mehrtätige Segelreise zu zweit ist es sicherer, dem Verkehrsweg zu folgen.
Nach letzten Einkäufen von Obst und Gemüse genossen wir den Abend auf der Wind Hog, die kurz vor unserer Abreise eingetroffen war.
Am Morgen des 4. März legten wir ab. Zunächst ging es nur bis zum Ausklarierungs-Kai. Dort lagen wir dann noch einmal bis Mittag. Dann war der Bürokratie genüge getan. Wir legten sofort Richtung Suez-Kanal ab. So blieb nicht viel Zeit, sich über die unverschämte Drohnen-Aufbewahrungsgebühr von ca. 100 Dollar zu ärgern.