Eine Weltumsegelung in Zahlen
Vom 5. Oktober 2019 bis einschließlich 24. Juli 2022 segelte ich um unseren Globus. In den 1024 Tagen sammelte ich so einiges an nützlichen und überflüssigem Zahlen, welche ich euch in diesem Artikel gern zur Verfügung stellen möchte. Mögen sie euch bei eurer Planung oder zum Zeitvertreib dienen.
Summa Sumarum
Insgesamt benötigte ich mit der Aurelia vom Start in Locmiquelic bis zum Ziel in Portimao 1024 Tage. In dieser Zeit war ich 3 Wochen geplant sowie 24 Wochen auf Grund von Covid19 in der Heimat. Zieht man diese Zeit ab, dauerte die Weltumsegelung nur 835 Tage. Zieht man davon wiederum die Liegezeit ab, war ich an 328 Tagen und 237 Nächsten insgesamt 6162 Stunden, also netto nur 257 Tage auf See.
In dieser Zeit habe ich mit der Aurelia auf 111 Teilstrecken 28.411 Seemeilen zurückgelegt. 49 mal wurde geankert, 42 mal in eine Marina eingefahren und 20 mal an einer Boje festgemacht.
An Land
Mit etwa 300 Nächten verbrachte ich die meiste On-Shore-Zeit in einer Marina. Viele davon sind coronabedingte Liege- und Wartezeiten. 30 weitere Nächte gehen auf meinen Einsatz in einem IT-Projekt zurück. Die längste Zeit zwischen zwei Marinas war die von der Banana Bay Marina in Costa Rica bis zur Copra Shed Marina in Savu Savu auf den Fidschi Islands. In diesen 144 Tagen hat die Aurelia keinen Steg gesehen. Zwischen beiden Orten lagen 7.248 Seemeilen.
198 Nächte lagen wir vor Anker. Dank des 25 kg schweren Bügelankers gelangen uns die meisten Manöver auf Anhieb. Bei einigen wenigen benötigten wir mehrere Versuche, weil wir entweder einen schlechten Tag hatten oder einen ungünstigen Untergrund vorfanden. Die drei nervigsten waren wohl St. Pierre und Anse Dufour auf Martinique sowie die Jungfrauenbucht auf Fatu Hiva.
96 Nächte konnten wir an Bojen in einem Bojenfeld festmachen. Diese Art ist mir die liebste. Die Sicherheit ist hoch, sofern die Boje regelmäßig gewartet wird. Als Skipper schläft man so deutlich entspannter als vor Anker. Außerdem wird dadurch die Unterwasserwelt geschont.
In all der Zeit habe ich nur 22 Länder besucht. Es wären deutlich mehr geworden, wenn nicht viele Länder auf Grund der Pandemie die Grenzen geschlossen hätten. Immerhin waren es 48 Inseln sowie das Festland von 4 Kontinenten.
Auf See
Die 111 Etappen waren im Mittel 256 Seemeilen lang. Die beiden längsten liegen mit 3.874 von der Isla del Coco bis Nuku Hiva und 3.836 sm von Denarau bis Lombok fast gleichauf. Die Zweite war jedoch mit 748 Stunden fast 100 Stunden schneller als die volle 5 Wochen dauernde Fahrt von der Isla del Coco bis Nuku Hiva.
Motor vs. Segel
2.097 Stunden, also 34% der Zeit war der Motor entweder als Segelunterstützung oder als alleinige Antriebskraft im Einsatz. Das ist deutlich mehr als geplant und gewollt. Das lag an drei ungeplanten Gründen:
Der erste Grund sind die 433 Motorstunden von Lombok bis Sabang. Dort lag die Motorquote bei schrecklichen 81%. Wir hatten auf Grund des Covid-Lockdowns in Indonesien und der damit verbundenen verzögerten Visa-Erteilung den Südwestmonsun verpasst. Dieser hätte uns gut nach Norden gebracht. So mussten wir in der Übergangszeit bis zum Nordwestmonsun überwiegend den Motor einsetzen.
Der zweite Grund ist mein Projekteinsatz. Ab Sizilien blieb mir nur das Wochenende zum Segeln. Rücksicht auf passende Winde konnte ich nicht nehmen. So lag in der Zeit die Quote mit 182 Motorstunden bei 69%.
Der dritte Grund war meine Ungeduld. Ohne das Ziel, spätestens im Frühjahr 2022 wieder daheim zu sein, hätte ich mich viel stärker auf das Wetter eingestellt. Selten habe ich den Zusammenhang von Zeit und Ressourcenverbrauch so stark gespürt. Es ist wohl eines der wichtigeren Erkenntnisse meiner Reise: Eine wirksame Methode für mehr Nachhaltigkeit ist es, sich für die wesentlichen Dinge im Leben mehr Zeit zu nehmen.
Zurück zur positiven Seite. Die beste Segelquote von 97% erreichte ich auf den 175 Seemeilen von Makongai zur Momi Bay. Das mag an dem gerissenen Keilriemen des Motors gelegen haben. Aber auch andere Strecken, meist die längeren, hatten eine gute Quote. So haben wir zum Beispiel von den Kap Verden bis Martinique nur 48 Liter Diesel verbraucht. Auf den 7 Langstrecken über 1000 Seemeilen waren wir zu fast 90% ausschließlich unter Segeln.
Wellen
Die höchsten Wellen von 4-5 Metern ereilten uns zwischen Vanuatu und Australien. Sie waren auf Grund ihrer überwiegend sinusartigen Form kein Problem. Am schwersten zu bewältigen waren die deutlich kleineren aber steilen Wellen vor Portugal, Marokko, nach den Kap Verden und vor den Fidschi-Inseln. Dort erwischte mich auch die einzige “Freakwave” unbekannter Höhe. Sie wurde durch eine Kreuzsee erzeugt und ergoss sich in das Cockpit der Aurelia. Das passierte ausgerechnet, als ich nach schlaflosen 72 Stunden in schlechtem Wetter endlich einmal die Augen schließen konnte. Die Höhe kann ich leider nicht schätzen. Es war jedoch die einzige Welle, die binnen Sekunden das Cockpit mit Wasser füllte, welches erfreulicherweise fast ebenso schnell wieder abfloss.
Wind
Es gab so einige Momente, in denen ich mir nicht sicher war, ob mein Windsensor die richtigen Geschwindigkeiten liefert. Sollte er richtig gelegen haben, blies der stärkste Wind mit nur 42 Knoten. Dieser erreichte uns im südchinesischen Meer ausgerechnet in der Zeit, in der sonst kaum ein Lüftchen wehte.
Der für mich angenehmste Wind kam mit etwa 15 kn von der Seite. So lag die Aurelia stabil auf der Seite und erreichte Geschwindigkeiten um 6 kn, die man so auch auf langen Strecken gut aushalten konnte. Das war allerdings nur selten der Fall.
Geschwindigkeit
Die mittlere Geschwindigkeit der gesamten Reise betrug 4,6 Knoten. Das sind lediglich 8,5 km/h und damit halb so schnell wie gemütliches Radeln. Trotzdem waren es nur 257 Tage reine Fahrtzeit. Würde man mit 17 km/h über den Äquator radeln, wären es nicht einmal 100 Tage. So klein ist das Raumschiff Erde, mit dem wir 8 Mrd. Menschen durch das All reisen. Weit und breit ist kein zweites in Sicht. Auch keine Haltestelle zum Auftanken oder eine Werkstatt zum Reparieren. Wir sollten sorgsamer mit ihr umgehen!
Die schnellste Etappe mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 6,8 Knoten führte uns von Porto nach Nazare. Auch von Vilamura nach Agadir blies uns der Wind mit über 6 Knoten ans Ziel. Die Überquerung des Atlantiks lag mit 5,9 kn nur knapp darunter.
Die langsamste mehrtägige Etappe mit nur 3,5 kn erlebten wir zwischen Belitung und Batam. Auf dieser Strecke bremsten uns eine ausgedehnte Flaute, schwimmender Müll, zahlreiche FADs (Gegenstände im Meer, um Fische anzulocken) und Baumstämme aus. Ebenso war die Strecke von den Malediven nach Djibuti mit 3,7 kn eine der langsamsten Etappen der Weltumsegelung. Dabei galt auf Grund des Piratenrisikos die Empfehlung, das Hoch-Risiko-Gebiet zwischen Somalia und Jemen mit maximaler Geschwindigkeit zu durchfahren.
Auf den Langstrecken lag das Etmal – also die Strecke, die man in 24h zurücklegt – im Mittel bei 120 Seemeilen. Das entspricht 5 kn. Das höchste Etmal von 173 (7,2 kn) erreichten wir südlich von Sri Lanka. Allerdings half uns hier eine starke Strömung. Immerhin 160 Seemeilen erreichten wir vom 6. zum 7. Dezember 2019 auf dem Atlantik. Hier hatten uns die Wellen eines Sturms in der Nacht teilweise mit 10 kn richtung Westen geschoben.
Das niedrigste Etmal von 41 Seemeilen ereilte uns kurz nach den Malediven auf dem Weg nach Dschibuti. Wir waren gerade erst gestartet und wollten nicht gleich zu Beginn unseren Diesel verbrennen. Das war eine gute Entscheidung, denn der wurde gegen Ende dieser windarmen Langstrecke ziemlich knapp.
Die über mehrere Stunden anhaltende Maximalgeschwindigkeit erreichte die Aurelia vor Agadir / Marokko. Hier pushten uns die Wellen über einen Zeitraum von 8h mit durchschnittlich 8,5 Knoten voran. Die meiste Zeit davon musste ich per Hand steuern, weil der Autopilot nicht schnell genug auf die heranrollenden Wellen reagierte.
Kurzfristige Geschwindigkeitsrekorde von ca. 15 Knoten erreichten wir hin und wieder, wenn es uns gelang, auf einer Welle zu surfen.
Die langsamste Geschwindigkeit lag einige Male bei auch 0 kn. So konnten wir z.B. im Atlantik oder dem Pazifik eine Badepause einlegten.
Crews
Auch wenn ich das ganze Abenteuer alleine geplant, vorbereitet und umgesetzt habe, so war ich die meiste Zeit dennoch nicht allein. Insgesamt waren 26 Mitsegler an Bord und haben mich dabei unterstützt, gen Westen zu segeln. Davon waren 20 Freunde, Bekannte und Verwandte.
6 Tramper haben unterwegs angeheuert. Das Hand-gegen-Koje-Prinzip hat auf der Aurelia hervorragend funktioniert.
Mit 13.666 Meilen waren wir die längste Strecke zu zweit unterwegs. Knapp dahinter liegen 9.949 Seemeilen zu dritt. In dieser Crewstärke schafften wir auch die niedrigste Gesamt-Motorquote von nur 23%. Knapp 323 Seemeilen mussten sich 4 Personen 3 Kajüten teilen. Lediglich auf 156 Meilen wurde es mit 6 Personen etwas eng.
4.305 Seemeilen war ich auf 28 Strecken an 56 Tagen und 34 Nächten ganz allein – also einhand – unterwegs. Die längste davon dauerte 15 Tage und brachte mich von Bora Bora nach Savu Savu.
Der schönste Törn führte uns zur Daniels Bay auf Nuku Hiva. Damals begleiteten mich 4 aufgeweckte Mädels in den Garten Eden.
Gesundheit
Die überwiegende Zeit auf See fühlte ich mich wesentlich gesünder als daheim. So wog ich auf der Reise über lange Strecken 20 kg weniger als zu Beginn des Abenteuers. Nur fünf erwähnenswerte Vorkommnisse gab es in den drei Jahren.
Zunächst verlor ich gleich am dritten Tag einen Frontschneidezahn an ein zu zäh gewordenes Baguette.
In Nuku Hiva brannte sich Heißkleber in die Haut meines linken Schienbeins. Das vermeintlich kleine Missgeschick zwang mir letztendlich 2 Wochen Badeverbot an den schönsten Stränden der Welt auf.
Auf Taveuni in den Fidschi Islands musste mein rechtes Knie die kinetische Energie des gesamten Körpers in den Cockpit-Tisch ableiten, als ich vom Vorschiff zurückkehrend ausrutschte. So musste ich auf den lang ersehnten Besuch der geographischen Datumsgrenze verzichten, die sonst nur in Russland und in der Antarktis Land berührt.
Nahe der Fidschi-Insel Malolo zerrte ich mir beim Rudern die rechte Schulter, da mein elektrischer Dinghi-Motor viel zu früh seinen Dienst quittiert hatte.
Erst gegen Ende der Weltumsegelung lag ich für eine Woche flach, als ich mich in Kreta während des Tests auf Covid19 mit selbiger Krankheit anstecken ließ.
Energie
Die typischen Energiequellen auf einer Segelyacht sind selbstverständlich der Wind, gefolgt vom Diesel, Gas, Landstrom und Sonne. Die Aurelia konsumierte auf der gesamten Strecke sehr grob geschätzte 59 MWh Windenergie, berechnete 30 MWh Dieselenergie und gemessene 3 MWh Sonnenenergie. Sieht man von dem einzigen Einsatz des Notfall-Gaskochers für Lisas morgendlichen Abschiedcreppes ab, waren es 0 MWh Gasenergie. Auf der Aurelia wurde also zu über 99,9% mit Solarstrom gekocht.
Landstrom benötigten wir über weite Strecken gar nicht. Von November 2019 bis Februar 2021 war die Aurelia nur ein einziges Mal am Netz, als wir es mit dem Kochen und Backen zum Heilig Abend 2020 in Panama etwas übertrieben hatten. Nur in Europa und Ägypten nutzten wir den Landstrom gelegentlich, um uns mit dem 1-kW-Heizlüfter im Salon etwas aufzuwärmen. Den gesamten Landstromkonsum schätze ich auf weniger als 100 kWh.
Dem gegenüber stehen die Einsparungen in der Heimat. Dazu gehörten ca. 60 MWh fossiler Heizenergie, ca. 17 MWh für nicht gefahrene Autokilometer und 7 MWh nicht verbrauchter elektrischer Energie.
Eine genauere Aufstellung des Energieverbrauchs von Locmiquelic bis Curacao lässt sich hier nachlesen.
Finanzen
Das wohl heikelste Zahlenthema sind die Finanzen. Aus irgendwelchen Gründen redet man nur ungern darüber. Damit man sich ein vollständiges Bild von so einer Seereise machen kann, gehören diese Zahlen jedoch dazu.
In den ersten Monaten achtete ich noch peinlich genau auf die Zuordenbarkeit der auflaufenden Kosten. Je länger die Reise dauerte, desto mehr verschwammen sie. Nichtdestotrotz möchte ich Euch einen bestmöglichen Überblick darüber geben, was Euch erwarten kann.
Vorab sei erwähnt, dass die laufenden Kosten einer Weltumsegelung extrem unterschiedliche Ausmaße annehmen können. Ich vermute, dass ich mit der 12 Meter langen Aurelia eher im unteren Drittel derjenigen liege, die auf dem eigenen Kiel die Welt umsegeln.
Bootskosten
Nachdem ich im März 2019 140 TEUR in die Aurelia investiert hatte, kamen noch einmal ca. 50 TEUR für Ausrüstungsgegenstände hinzu. Hierzu zählen unter anderem die Windsteuerung, die Solaranlage nebst Akkus, der Watermaker, aber auch so profane Dinge wie Feuerlöscher, Handtücher und Seifenspender. Während der Reise fielen 7 TEUR Wartungskosten an. 9 TEUR gab ich für größere Ersatzteile und erschreckende 5 TEUR für Kleinmaterial wie Schrauben, WD40, Powertape, Sikaflex etc. aus.
Reisekosten
Rund um die Weltumsegelung gab ich etwa 18 TEUR für Liegekosten aus. Diese reduzieren sich um die Hälfte, wenn man die Covid-bedingte Liegezeit, die Zeiten vor und nach der Weltumsegelung sowie die zusätzlichen Liegewochen während meines Projekteinsatzes gegen Ende der Reise abzieht.
Weitere 7 TEUR zahlte ich an die Versicherungen, wobei erwähnt werden muss, dass vom Pazifik bis zur Rückkehr ins Mittelmeer kein Kasko-Schutz bestand. Dieser hätte die Kosten fast verdoppelt.
Etwa 5 TEUR fielen für Agenten vor Ort an. Ohne sie wäre die Reise während der Pandemie nicht möglich gewesen. Hinzu kommen noch einmal ca. 2 TEUR für Panama- und Suez-Kanal.
Etwas über 4 TEUR gab ich für Reisekosten an Land und in der Luft aus. Für die Hälfte der Kosten lässt sich auch hier die Covid19-Pandemie als Verursacher ausmachen.
Etwa 3,5 TEUR flossen durch den Dieseltank.
Lebensunterhalt
Hinzu kommen die normalen Kosten wie Krankenversicherung, Lebensmittel oder Freizeitaktivitäten. Sie fallen auch im normalen Leben daheim an und wurden daher von mir nicht so penibel protokolliert.
Unterstützung
Während meiner Reisezeit wurde ich durch Freunde, Verwandte und Bekannte unterstützt. Insbesondere die Mitsegler übernahmen einen Teil der operativen Kosten. In Summe reduzierte sich dadurch der finanzielle Aufwand der Reise um ca. 20 TEUR.
Vielen herzlichen Dank an alle, die mich dabei unterstützt haben!
Kommunikation und Medien
Während der Tage auf See versendete ich ca. 400 Satellitennachrichten und verbrauchte etwa 1000 weitere Satelliten-Minuten für Wetterdaten und kurze E-Mails.
Mit Hilfe von ca. 10 lokalen SIM-Karten war ich über weite Teile der Küstenregionen online. Das half mir, Euch mit 134 Blog-Beiträgen von unterwegs zu versorgen. Diese konnte ich mit einigen der ca. 17.000 Bilder und 3.000 Videosequenzen untermalen. Leider gingen dabei zwei Smartphones, eine GoPro, eine Drohne und ein WLAN-Router zu Bruch. Die raue Seeluft waren zu viel für sie. Mein Notebook hat die Reise dank nachgekaufter Bluetooth-Tastatur und Maus auf letzter Rille überstanden. Einige Tasten und Anschlüsse waren auf der langen Reise durch Korrosion ausgefallen. Erstaunlich robust zeigte sich dagegen das Tablet, das nach wie vor im Einsatz ist.
Euch fehlen noch Zahlen? Dann schreibt einen Kommentar und ich schaue, ob ich sie ermitteln kann.