
Januar-Segeltörn mit 35 Knoten
Nach mehreren Vorträgen über meine Weltumsegelung ging es am 10. Januar 2024 zurück auf die Aurelia. Neben ein paar geplanten Wartungsarbeiten kamen unvorhergesehene Reparaturen und ein Segeltörn mit abenteuerlichem Anlegemanöver auf mich zu.
Lazybag und Rigg
Pünktlich zum Anreisetag montierte die Segelmacherwerkstatt Alisios das neue Lazybag. Die netten Kollegen wechselten bei der Gelegenheit auch gleich das Lazyjack. Die passende Leine hatte ich bereits beschafft. Einmal an Bord, bat ich die Mitarbeiter um einen Rigg-Check. Die inneren Wanten waren für mein Gefühl ein wenig zu locker. Der letzte Check fand bereits auf Tahiti statt.
Eigentlich erwartete ich keine größeren Reparaturen, doch als die Rigger anfingen, am Mast mehrere Fotos zu machen, ahnte ich es schon: Die Aufnahmepunkte am Mast waren eingerissen. Sie mussten unbedingt getauscht werden. Das ging am Ende leichter als gedacht. Einmal am Mast, montierten sie noch einen neuen Friktion-Ring für die Spifall und stellten das komplette Rigg neu ein. Hier konnte ich wieder etwas dazulernen: Die Mastbiegung lässt sich am besten überprüfen, indem man oberhalb des Baumes in die Nut schaut. So erkennt man auch die kleinste Biegung.





Brennende Wolken
Am Morgen des zweiten Tages – ich saß noch mit Pyjama im Salon – färbte sich das erste einfallende Licht so stark rötlich, dass ich an Deck ging. Dort konnte ich meinen Augen kaum trauen. Der bunte Sonnenaufgang im Osten wurde von den Wolken im Westen blutrot reflektiert. Sie schienen regelrecht zu brennen. Dieser Sonnenaufgang kommt meinem bisherigen Favoriten von 2021 auf den Tuamotus schon recht nahe. Nach wenigen Sekunden war diese außergewöhnliche Konstellation vorbei und ich sehr froh, dass ich sie aufnehmen konnte:


Nachts in Las Palmas
Gemeinsam mit Stefan, der mich nach St. Martin, Italien und Portugal bereits das 4. Mal auf der Aurelia besuchte, verbrachten wir einige Tage auf der Insel. Auf Grund der Reparaturen diesmal ohne einen Segeltörn. Neben der Wanderung zur Halbinsel Isleta wird mir vor allem der legendäre Samstag in Erinnerungen bleiben. Nach einigem Herumirren durch die Stadt stießen wir auf eine Party am Rande des Santa-Catalina-Parks. Dort lernten wir zwei Urlauberinnen aus Norwegen kennen und fanden schnell einen guten Draht zueinander. Als wir uns dann gegen Mitternacht verabschiedeten, lud ich sie für Sonntag zu einem Brunch auf der Aurelia ein.


Auf dem Rückweg – ich freute mich ehrlicherweise schon auf meine Koje – liefen wir am El Rinco Del Bolero vorbei. Dort fand gerade ein Konzert mit Carmen Bautista und Tite Fernández statt. Es sollte in wenigen Minuten zu Ende sein, also ließ uns der Türsteher auf einen letzten Drink hinein. Aus den wenigen Minuten wurden Stunden. Irgendwann hatte der Gitarrist genug von den vielen Zugaben und beendete sein imposantes Spiel. Langsam leerte sich die Bar. Fast wären wir auch aufgebrochen, doch dann schnappte sich der Türsteher die Gitarre und spielte einige Akkorde. Die Sängerin stimmte ein und nahm ihr Gesangsbuch wieder aus der Tasche. So saßen wir eine weitere Stunde in kleiner Runde von maximal 10 Gästen und lauschten den spanischen Rhythmen. Gegen 4 Uhr fiel ich dann immer noch verblüfft und begeistert von dem unerwartet schönen und abwechslungsreichen Abend in die Koje.

Katerfrühstück
Am nächsten Tag fanden wir erst gegen Mittag den Weg aus den Federn. Trotz des schweren Kopfes verbrachten wir beim späten Frühstück einige Stunden mit unseren neuen norwegischen Bekannten. Mir ging es anschließend von Minute zu Minute schlechter. Am Abend lag ich dann mit 40 °C Fieber im Bett und war für die nächsten Tage außer Gefecht. Stefan musste die Insel nun bis zu seiner Heimreise allein erkunden.
Auf nach Santa Cruz
Gerade rechtzeitig vor dem Eintreffen der nächsten Crew war ich wieder halbwegs auf dem Posten. Das Fieber war verschwunden und der Combi-Test negativ. Dem Segeltörn stand also nichts mehr im Wege. Ich bereitete die Aurelia auf das Segeln zu viert vor. Dieses Mal mussten beide Gästekajüten leergeräumt werden. Ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell sie sich mit allerlei Dingen füllen und dann doch wieder freiräumen lassen.


Am 21. Januar 2024 traf die Dreiercrew ein. Den ersten Tag nutzten wir für letzte Vorbereitungen und Einkäufe. Dann ging es auch schon los. Dank der erfahrenen Crew konnten wir uns für die kommenden Tage eine größere Strecke zutrauen. Das Wetter war nicht perfekt, aber gut genug für einen Abstecher nach Teneriffa verbunden mit einer Umrundung von Gran Canaria.

Der erste Schlag führte uns nach Santa Cruz. Ich musste feststellen, dass meine Fitness nach der kurzen und heftigen Grippe noch nicht komplett wiederhergestellt war. Aber ich war nicht der einzige mit Problemen. Die Mägen zweier Crew-Mitglieder waren von den atlantischen Wellen überfordert. Mit einem schlappen Skipper und zwei Seekranken zirkelten wir die Aurelia in den Hafen von Santa Cruz. Zwischen einem Motorschiff und einer Segelyacht mit einem mehrere Meter langen Bugspriet fanden wir einen ruhigen Platz für die Nacht. Dank der aufmerksamen Crew gelang das ohne Probleme.
Das Anlegemanöver meines Lebens
Unsere nächste Station war die Marina Amarilla in San Miguel. Die knapp 40 Seemeilen sollten sich laut Vorhersage gemütlich segeln lassen. Gegen 9:00 Uhr starteten wir mit leichtem Rückenwind, der sich im Laufe des Tages immer weiter steigerte. Schließlich konnten wir mit Schmetterlingsbeseglung bei 7-8 kn Fahrt die Marina zügig erreichen. Die 2-3 Meter hohen achterlichen Wellen waren anfangs kein Problem.

Doch dann wurde es komplizierter: Die Mole der Marina reflektierte die Wellen. Dadurch ragten sie nun gelegentlich weit über 3 Meter hinaus. Je näher man ans Land schaute, desto höher wurden die Wellen, bis sie schließlich kurz hinter dem Eingang zur Marina brachen. Auch der Wind wurde stärker. Wir hatten die Segel bereits geborgen und den Motor angelassen. Ich ging unter Deck und funkte die Marina an. Nach ihrer Einschätzung sollten wir nicht einlaufen. Auch ich hatte ein solches Szenario für mich bereits vor der Weltumsegelung mehrfach durchgespielt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass ich lieber draußen bleiben würde.
Frustriert beobachtete ich die Wellen vor dem Eingang der Marina ganz genau und sah schließlich einen Weg, der uns sicher an den sich aufstauenden und schließlich brechenden Wellen vorbeiführte. Allerdings musste es beim ersten Anlauf klappen. Andernfalls drohte die Aurelia in der Brandung auf den felsigen Strand geworfen zu werden. Mit hoher Drehzahl und viel Fahrt steuerte ich uns in die Marina. Drin angekommen, erwartete ich das übliche Abflauen des Windes. Das Gegenteil war der Fall. Uns wehten stürmische 35 Knoten auf die Nase. Sobald ich meine Fahrt verringere, würde der Wind die Oberhand gewinnen. Dann lässt sich das Schiff mit dem Bug im Wind nicht mehr steuern. Also suchte ich mir ein freies Plätzchen und drehte die Aurelia über Steuerbord. Jetzt weht der Wind auf das Heck und die Aurelia ist auch bei langsamer Fahrt gut kontrollierbar.


Der uns zugewiesene Liegeplatz war belegt. Ich suchte nun einen freien Platz, den ich diesem stürmischen Wind erreichen konnte. In der Nähe der Einfahrt fand ich ihn. Schnell brachte die Crew die Fender auf der richtigen Seite aus und bereitete die Festmacher vor, während ich die Balance zwischen Wind, Propeller und Ruder hielt. Langsam und kontrolliert nährten wir uns dem Steg, wo bereits mehrere Segler Beifall klatschend bereitstanden, uns beim Anlegen zu helfen.
Für mich war es das kritischste Anlegemanöver, seit ich segele. Dank der im entscheidenden Moment perfekt funktionierenden Crew gelang es ohne einen Kratzer. Well done!
Ich hatte nun gerade noch genug Energie, Michael aus Hamburg zu begrüßen. Uns verbindet nicht nur ein gemeinsamer ehemaliger Arbeitgeber, sondern auch die Segelleidenschaft. So war Michael u. a. auch bei der Restaurierung der HETI beteiligt, die ich mir vielleicht einmal im Sommer anschauen kann.

Kurz danach fiel ich erschöpft ins Bett.
Mogan die Dritte
Schon am nächsten Morgen ging es weiter auf unserem Rundkurs. Als nächster Liegeplatz bot sich erneut Puerto de Mogan an. Nach dem September- und Novembertörn war dies nun schon mein dritter Besuch. Unter dem Eindruck des vorangegangenen Tages suchten wir uns einen etwas konservativeren, nördlicheren Weg als im November. Leider war das auch mit einigen Motorstunden verbunden. Erst gegen Ende konnten wir erneut segeln und ankerten nach Einbruch der Dunkelheit vor der Marina. Von dort aus gönnten wir uns einen Landtag und genossen die warme Januarsonne des Südens.


Kreuzen nach Norden
Die Windvorhersage sowie mein Wunsch, noch im Hellen auf meinem Liegeplatz in Las Palmas anzukommen, ließ uns den letzten Tag des Segeltörns bereits um 4:00 Uhr starten. Schließlich lagen noch einmal bis zu 60 Seemeilen vor uns, wenn man das notwendige Kreuzen gegen den Wind einkalkuliert. Die ersten Stunden konnten wir wie vorhergesagt segeln. Dann sollte der Wind auf West drehen und uns mit halbem Wind direkt nach Norden tragen. Er ließ jedoch recht lange auf sich warten. Erst nach langem Kreuzen und Motoren gab es zum Abschluss noch einmal versöhnliche Segelstunden.
Dank der erfahrenen Crew und hilfsbereiten Nachbarn war das Anlegemanöver kein Problem. Gegen 17:00 Uhr gönnten wir uns nach dem 200-Seemeilen-Törn das wohlverdiente Anlegerbier.

Akkuverlust
Bereits im Sommer 2023 hatte ich den Eindruck, die Kapazität der Lithium-Akkus, die ich 2019 in Locmiquelic eingebaut hatte, lässt deutlich nach. Der Eindruck verstärkte sich von Mal zu Mal, bis ich schließlich im Januar der Sache auf den Grund ging. Zunächst maß ich mit einem 1-kW-Heizlüfter die nutzbare Kapazität. Sie betrug nur noch 1,7 kWh statt der versprochenen 4,8 kWh. Die Sichtprüfung der Anschlüsse und der Akkus ließ keine Probleme erkennen. Daher baute ich die Akkus aus. Erst dadurch wurde das Drama sichtbar. Fast überall hatten sich die millimeterdicken Stahlbleche zwischen den Schrauben nach außen gewölbt. Zwar sind LiFePO4– oder kurz LFP-Akkus lang nicht so brandgefährdet wie die verbreiteteren NMC-Akkus, dennoch wollte ich sie in diesem Zustand nicht mehr an Bord belassen. Nach kurzer Suche fand ich einen Ort zur fachgerechten Entsorgung, allerdings keinen Ersatz.


Mitte Januar ging der warme Winter dann auch für mich zu Ende. Nach einem letzten sonnigen Frühschoppen am Flughafen kehrte ich wieder in die kalte Heimat zurück.