‚Gefangen‘ in Agadir
Die Marina
Den 8. November nutzten wir zur Erholung von den Strapazen der letzten 82 Stunden. Meine Kajüte hatte es wieder einmal ordentlich durcheinandergewirbelt.
Außerdem konnte ich mein LTE-Router nicht finden. Mit ihm habe ich bisher innerhalb Europas via LTE ein Bord-WLAN aufgespannt und die WLANs der Marinas verlängert. Ich muss ihn wohl bei der Abreise aus Vilamoura auf dem Deck vergessen haben, so dass er sich nun wohl irgendwo vor Gibraltar auf dem Grund des Atlantiks befindet. Toll, ich will auf meiner Reise auf Nachhaltigkeit achten und darauf aufmerksam machen, wie schützenswert unser Planet ist und dann versenke ich selbst Plastik und Elektronik im Meer. Doppelt ärgerlich!
Nachdem auf dem Schiff wieder etwas Ordnung eingekehrt war, schauten wir uns in der Marina um. Sie ist eingebettet in Hotels und Ferienwohnungen, die wiederum durch Schranken und Wachen abgesichert sind.
Im Internet wurde die Sicherheit der Marina oft kritisiert. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Jedes unbekannte Gesicht, welches den Steg betreten wollte, wurde entweder von den – übrigens sehr freundlichen – Mitarbeitern der Marina oder dem Sicherheitspersonal angesprochen. Außerhalb des Komplexes kann man sich ohne Probleme frei und ungezwungen bewegen. Zwar wird man sofort als Tourist erkannt und immer mal wieder angesprochen, aber nie auf eine Art, die ich als bedrohlich empfinde. Eines ist unglaublich – wenn man den Leuten glaubt, hat jeder mindestens einen Verwandten in Hamburg, Düsseldorf oder München. Auch scheinen die Leute recht fußballbegeistert zu sein. Sie verfolgen nicht nur die lokalen, sondern auch die Spiele der Bundesliga. Jedenfalls war das Marina-WLAN kaum nutzbar, wenn der eine oder andere Officer im Liga-Video-Stream vertieft war. Eines muss aber wirklich kritisiert werden: Die sanitären Anlagen der Marina sind unglaublich runtergekommen. Genauso, wie es in einschlägigen Foren im Internet beschrieben wurde. Das passt überhaupt nicht zu dem ansonsten sehr positiven Eindruck. Glücklicherweise gibt es zwischen den Geschäften rund um die Marina ein Hamam-Bad, dass ich dann wohl mal besuchen werde.
Am späten Nachmittag machten wir uns auf und erkundeten den Strand, der sich über mehrere Kilometer entlang der Bucht von Agadir erstreckte.
Eine breite gut ausgeleuchtet Strandpromenade mit vielen Geschäften, Restaurants und einigen wenigen Straßenverkäufern war gut besucht. Hier treffen sich – soweit äußerlich erkennbar – Menschen unterschiedlichster Kulturen. Von vollverschleierten Frauen bis übertrieben westlich gekleidete Menschen war hier alles zu finden.
Schlechte Wetteraussichten
Noch etwas geschafft von den letzten Tagen machten wir es uns abends auf dem Schiff bequem und kochten etwas aus den üppigen Vorräten, mit denen wir uns in Vilamoura eingedeckt hatten. Ich checkte derweil den Wetterbericht. Der ließ nichts Gutes erahnen. Der Sturm vor Agadir will einfach nicht abflauen. Winde mit bis zu 40 Knoten und Wellen bis 6m verhindern ein Auslaufen Richtung Kanaren. Das geht nicht nur uns so. Einige weitere Segler, die wir in der Marina kennenlernten, bleiben ebenfalls erst einmal in der Marina. Ein gutes Gefühl, wenn man seine Einschätzung als Neuling unter den Blauwasserseglern bestätigt bekommt. Bei den Planungen für die erste Etappe habe ich mit einigen Verzögerungen gerechnet und entsprechende Puffer eingebaut. Aber mit mehr als einer Woche Wartezeit in Agadir habe ich nicht gerechnet. Für Karsten und Stefan bedeutet das leider: Flüge umbuchen! Der Hafen von Tenerifa ist mit dieser Wetterprognose nicht ohne ein erhöhtes Risiko zu erreichen. Mit der Hoffnung auf einen bessern Wetterbericht gab es abends noch ein Gläschen Rum und dann beendeten wir den Tag.
Umbuchungen und Souk
Auch am Morgen des 9. November war keine Verbesserung des Wetters in Sicht. Also buchte Stefan seinen günstigsten Heimflug, der leider bereits am Montag anstand. Karsten bleibt noch einige Tage bei mir und fand einen Flug nach Teneriffa, von wo aus er den ursprünglich geplanten Heimflug nach Deutschland antreten will. Nachdem diese ärgerliche, aber unausweichliche Entscheidung getroffen war, machten wir uns auf zum großen Souk (Markt) von Agadir. Unterwegs trafen wir – wie soll es auch anders sein – einen Marrokaner, der Verwandte in Deutschland hatte und „rein zufällig“ einen Bruder in einem der Geschäfte des Souk. Auf den immerhin zwei bis drei Kilometer langen Weg war dies eine willkommene Abwechslung. Natürlich mussten wir uns dann auch den Laden anschauen, einen Tee mit seinem Bruder trinken und letztendlich dann selbst für deutsche Verhältnisse mehrere, reichlich überteuerte Teesorten erwerben. Wie das halt so ist auf einem arabischen Großmarkt, wenn man ihn nicht gewöhnt ist, wird man von ihm überwältigt. Nach unserem Tee schlenderten wir durch den Markt, in dem es scheinbar nichts gab, was es nicht gab. Von Früchten zu Fleisch, gleich neben dem Fisch und hinter ihm das lebende Gefieder über zahlreiche Haushaltsartikel bis hin zu modernen Handys. Im Prinzip nichts anderes als die Mega-Shopping-Malls in Deutschland. Nur einfach auf losem Erdboden errichtet und ohne Platz in und zwischen den Geschäften. Auf jedem Meter gab es wechselnde Gerüche und eine quirligen Lautstärke, die wir nicht gewohnt sind.
Wir brauchten nicht lange, um von den Eindrücken abgefüllt zu sein. Also machten wir uns auf den Rückweg und gönnten uns ein 1A-Abendessen an einem der Strandrestaurants, in dem uns ein Kellner in fast perfektem Deutsch bediente, was ihm übrigens auch in Russisch, Italienisch und vielleicht auch weiteren Sprachen gelang.
So ging ein Tag voller orientalischer Eindrücke zu Ende.