Sabang / Weh
Sabang ist unsere letzte Station in Indonesien und gleichzeitig unser Sprungbrett für die Malediven. Die Insel, deren eigentlicher Name Weh ist, befindet sich zwischen Sumatra und den Nikobaren. Auf dem Weg dahin geht es zunächst durch die dicht befahrenen Straßen von Singapur und Malakka. Beide gelten als Gebiete mit erhöhtem Piraten-Risiko.
Anreise
Straße von Singapur
Nachdem wir unsere Leinen vom Steg der Marina Nongsa Point gelöst hatten, ging es zunächst raus in die Straße von Singapur. Gleich vor der Marina erwischte uns die Bugwelle eines Frachters. Sie hatte sich im flacher werdenden Wasser bedrohlich aufgestaut. Die Aurelia sprang souverän über sie hinweg. „Das kann ja heiter werden.“, dachte ich mir. Es blieb jedoch bei dieser einen größeren Welle.
Zunächst hielten wir uns südlich der Straße und warteten auf einen geeigneten Zeitpunkt, um zwischen den großen Pötten die Straße zu queren. Der Vergleich mit der Überquerung einer dicht befahrenen Autobahn zu Fuß kommt der Situation recht nahe. Nach wenigen Minuten Wartezeit und einigen Absprachen per Funk kreuzten wir die Straße zwischen der Al Jabriyah und der Italia und sortierten uns auf der nach Westen führenden Seite ein. Trotz des dichten Verkehrs blieben uns ausreichend Zeit, die Skyline von Singapur zu genießen.
Straße von Malakka
Speedbootbesuch
Zwei Stunden später bogen wir in die Straße von Malakka ein. Dank eines leichten achterlichen Windes konnten wir mit Hilfe der Genua eine etwas höherer Geschwindigkeit erreichen, bevor die Nacht anbrach. Wir motorten entlang des Verkehrstrennungsgebietes. Plötzlich tauchte völlig lautlos ein schwarzes Speedboot mit fünf schwarz gekleideten Personen an Bord wenige Meter neben der Aurelia auf. Ein greller Scheinwerfer leuchtete uns an. In schwer verständlichem Englisch wurden wir gefragt, wer sich an Bord befindet, woher wir kommen und wohin wir wollen. Es war weder ein Schiff der malaysischen Coast Guard auf dem AIS zu sehen, noch hatte man uns per Funk kontaktiert. Da wir uns in einem für Piraterie bekannten Gebiet befinden, war die Situation alles andere als lustig für mich. Zwar ist hier seit Jahren insbesondere Seglern nichts passiert und das Verhalten passte eher zu einer Küstenwache als zu Piraten, trotzdem war ich verärgert, holte meinen Scheinwerfer aus dem Salon und leuchtete erst einmal zurück. Die Geste wurde schnell verstanden. Wir wurden nicht mehr direkt angestrahlt. Auf meine Frage hin, wer sie sind, gaben sie sich als malaysische Behörde aus und verschwanden schnell wieder, nachdem ich ihnen die geforderten Informationen gegeben hatte.
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Geisterfahrer
Kurze Zeit später wurde meine sonst so gemütliche Nachtschicht ein weiteres Mal unterbrochen. Ein etwa 200 Meter langer Tanker hatte sich offensichtlich ein wenig verfahren und kam mir auf der falschen Fahrbahn entgegen, während ich von einem anderen Frachter überholt wurde. Es wurde eng, aber nicht zu eng für die kleine Aurelia.
Elefantenrennen
Auch in der zweiten Nacht in der Straße von Malakka kam keine lange Weile auf. Wie auf deutschen Autobahnen kommt es auch in einem Vekehrstrennungsgebiet zu Staus und Überholmanövern. Dass es aber gleich 5 Schiffe sind, die sich gleichzeitig auf der schmalen Straße nebeneinander um den ersten Platz streiten, kommt auch hier nur selten vor.
Abfallentsorgung im Meer
Als wir es schließlich geschafft hatten, das Verkehrstrennungsgebiet zu verlassen, gönnten wir dem Motor eine Pause und kreuzten gegen den leichten Wind. Am Horizont erschien der nächste Schlepper mit einem großen Kahn am Haken. Er zerstreute die letzten Zweifel, ob Indonesien seinen (teilweise importierten) Abfall einfach im Meer entsorgt. Minuten später fuhren wir durch ein riesiges Feld voller Abfälle. Die Plastikteile schwammen nicht nur an der Oberfläche. So weit das Auge in das Wasser reichte – alles voller Müll. Dazwischen immer einmal ein größeres Teil aus Holz oder Plastik. Ich war froh, dass wir segeln konnten. So war die Wahrscheinlichkeit recht gering, dass sich eines der Objekte in der Schraube verfängt.
One Fathom Bank Lighthouse
Am Morgen des 28. November passierten wir die Leuchttürme der One Fathom Bank. Wir wollten sie gerade mit dem Fernglas näher inspizieren, als zwei Fregatten relativ schnell an uns vorbeifuhren. Nur eines gab sich mit seinem AIS-Signal als Malaiisches Marineschiff zu erkennen. Kurz darauf wurden wir Zeuge einer kleinen Diskussion auf Kanal 16: Malaysische Marine: „Amerikanisches Kriegsschiff auf Position …., was ist Ihre Intention?“ Trockene Antwort der Amerikaner: „Wir operieren in internationalen Gewässern.“
Endlich wieder segeln
Nachdem wir die Leuchttürme passiert hatten, nahm der Wind langsam zu. Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen verließen wir den Bereich der ITC, zum anderen beginnt die Wintersaison, in der Anfang Dezember der Nordost-Monsun einsetzt. Nach einigen weiteren Motorstunden konnten wir die Segel setzen, um die letzten knapp 200 Seemeilen nach Sabang zurückzulegen. Die Verschmutzung der See nahm stetig ab. Die Anzahl der Fischerboote ebenfalls. Dennoch gab es immer wieder FADs. In dieser Region ähnelten sie den 1000-Liter-Wassertanks, die man häufig auf Baustellen sieht. Allerdings waren sie aus einem leichten Material, vielleicht Polystyrol. Einem dieser Objekte kamen wir etwas zu nah. Ein Seil verfing sich im Propeller. Es war so lang, dass wir es am Heck entdecken konnten.
Mit der Unterwasserkamera von Jakub verschaffen wir uns einen Überblick über die nicht ganz ungefährliche Situation und rechneten bereits damit, dass wir auf offener See hinabtauchen müssen. „Wir“ heißt in diesem Falle Jakub, dem es deutlich leichter fällt, zur Schraube herunter zu tauchen. Doch zuvor machte ich einen Versuch, durch langsame Schraubenbewegungen in beide Richtungen, die Leine abzuwickeln. Und siehe da, es gelang. Ein kleiner Rest verblieb jedoch an der Schraube. Da keine Vibrationen zu spüren waren, verzichteten wir auf ein Tauchmanöver.
Ankunft in Sabang
Mooring
Am Morgen des letzten Novembertages erreichten wir Sabang. In der nördlichen Hafenbucht sind große gelbe Mooringbojen installiert. Sie sahen zunächst aus, als wären sie aus Metall und viel zu stabil, um mit der Aurelia unbeschadet daran festzumachen. Bei näherer Untersuchung stellte sich jedoch heraus, dass sie aus Plastik sind. Wir fanden hinter der kleinen Insel innerhalb der Hafenbucht einen sehr geschützten freien Platz.
In der letzten Minute des Motoreinsatzes löste sich offensichtlich der Rest der Leine vom Propeller. Das ganze Schiff fing an zu vibrieren, als würde der Motor aus seiner Verankerung springen. Ein Schaden an der Schraube, der Antriebswelle oder dem Motor könnte hier das Aus für die Weltumsegelung bedeuten. Die Insel ist nicht auf die Reparatur von Segelbooten vorbereitet. Sofort legte ich den Leerlauf ein. Dann erneut den Vorwärts- und Rückwärtsgang. Die Vibration war verschwunden. Offensichtlich hatte sich genau in diesem Moment der Rest der Leine vom Propeller gelöst und vorübergeht eine Unwucht erzeugt.
Nachdem der Motor und das Getriebe abgekühlt waren, kontrollierte ich das Getriebeöl. Gibt es Wasser darin, ist es ein starkes Indiz dafür, dass wir ein Problem haben. Nach zwei bangen Wartestunden öffnete ich den Öleinlass/-Messstab und entdeckte eine hellgrüne Emulsion. Wir haben Wasser im Getriebe! Nicht gut! Gar nicht gut!
Zuletzt habe ich das Getriebeöl in Costa Rica getauscht und leider versäumt, es zwischendurch öfter einmal zu kontrollieren. Daher kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob das Wasser innerhalb der letzten Motorstunden oder langsam und stetig auf den letzten 12.000 Seemeilen eingedrungen ist.
Für den Rest des Tages fiel es mir schwer, die Fassung zu wahren und nicht an die möglichen Konsequenzen zu denken. Etwas Linderung verschaffte mir der Wechsel des Getriebeöls. Eine spätere Kontrolle ließ erkennen, dass wir zumindest ohne ein Drehen der Antriebswelle keinen Wassereintrag haben. Eine erste leichte Entwarnung.
Einklarieren
Auch wenn wir Indonesien nicht verlassen haben, müssen wir uns dennoch auf der Insel anmelden. Bei all der Aufregung rund um das Getriebe kamen wir erst am Folgetag dazu. Gleich nach dem Frühstück machten wir uns mit dem Dinghy auf den Weg zum Hafen. Unterwegs begegneten wir der Coast Guard, die bereits auf dem Weg zu uns war. Wir hielten kurz bei ihnen an und erklärten, wer wir sind, wo wir herkommen und warum wir uns nicht schon am Vortag gemeldet haben. Nach einer kurzen Runde um die Aurelia führten sie uns zum Steg der Hafenbehörde. Dort konnten wir dank der freundlichen Beamten recht schnell alle Formalitäten erledigen und die Insel betreten.
Sabang
Die unerwartet schnelle Abfertigung durch die Behörden ermöglichte uns einen ausgiebigen Spaziergang entlang der Hauptstraße von Sabang. Er offenbarte einige Unterschiede zu den bisherigen Orten, die wir in Indonesien besuchten. Auf Grund der nördlicheren Lage wirkt die Stadt deutlich moderner. Die Gehwege sind gepflastert, die Gebäude meist aus Stein. Von den Folgen des verheerenden Tsunamis vom 26.12.2004 ist nur wenig zu sehen. Anders als Banda Aceh ist die Stadt auf Grund ihrer Lage in der Bucht von größeren Zerstörungen verschont geblieben. Die Mangrovenwälder entlang der Küste haben ebenfalls zum Schutz beigetragen. Sie wurden in den Jahren nach der Katastrophe wieder neu aufgeforstet.
Auf der gesamten Insel wird – wie auch in Sumatra – stärker auf die Sharia gesetzt. Für uns hat das vor allem zwei Auswirkungen:
- Alkohol gibt es nicht zu kaufen, auch kein Bier. Es gibt jedoch Wege, welches zu bekommen, die wir aber nicht genutzt haben.
- Westliche Kreditkarten sind hier kein Zahlungsmittel. Auch an Bankautomaten bekommt man kein Geld. Wir sind also auf unsere Bargeldbestände angewiesen. Viel brauchen wir aber nicht. Zwar kostet der Diesel auch hier knapp einen Dollar. Die Nahrungsmittel sind jedoch sehr preiswert.
In den folgenden Tagen besuchten wir den Ort noch mehrere Male, fuhren mit dem Dinghy jedoch nur bis zum nahe gelegenen Fischereisteg. So konnten wir einige Impressionen der Insel einfangen:
Wetterprognose
Der Hauptgrund für unseren etwa einwöchigen Aufenthalt auf der Insel war das Warten auf den einsetzenden Nordost-Monsun. Während wir in der Straße von Malakka noch froh waren, dass er uns nicht entgegen wehte, sind wir nun auf ihn angewiesen, um in akzeptabler Geschwindigkeit zu den Malediven zu gelangen.
Schon in Batam hatte ich angefangen, das Wetter am südlichen Rand der Bengalischen See intensiver zu beobachten. Ein steter Nordwestwind machte es mir schwer, daran zu glauben, dass in wenigen Tagen/Wochen der Wind aus der anderen Richtung kommen würde. Dann endlich kündigte die Vorhersage eine Änderung der Wetterlage an. Pünktlich zu Nikolaus sollte sich der erste stabile NE-Wind einstellen. Wir begannen mit den Vorbereitungen unserer Abreise.
Tschechischer Besuch
In diesen Tagen besuchte uns die sympathische Crew des benachbarten Segelbootes. Blanka und Pepe aus Tschechien sind schon einige Wochen/Monate hier. Wir verbrachten einige Stunden damit, unsere Erlebnisse auszutauschen. Schließlich übergaben sie uns auch ein Rezept für die Herstellung von Ginger-Bier und ein paar frische Kulturen für unseren Joghurt-Bereiter.
Wir machten uns sofort daran, das Ginger-Bier-Rezept auszuprobieren. Es ist viel leichter als gedacht. Man nimmt für 5 Liter etwa 900g Zucker, 200g Ingwer und 2 Limonen. Das ganze kocht man auf. Sobald es ausreichend abgekühlt ist, gibt man so viel Hefe dazu, wie man auch für ein Brot verwendet. Dann wird das Gemisch unter Luftabschluss aber mit Entlüftung so lange stehengelassen, bis die Gärung abgeschlossen ist. Das ist bei uns nach 6-10 Tagen der Fall. Zum Schluss wird der Inhalt per Sieb oder Filter in Flaschen abgefüllt. Diese lässt man noch einmal ein paar Tage stehen, bevor man das „Bier“ genießt. Tatsächlich hat es nicht viel mit Bier zu tun. Es schmeckt sehr lecker, ist aber eher mit einem frischen Apfelwein vergleichbar.
Tanken und Ausklarieren
Am 5. Dezember fuhren wir mit der Aurelia zum Hafen und machten an einer Mooring-Boje direkt vor dem Hafenmeister fest. Diese hatte uns ein lokaler Fischer am Vorabend für uns freigemacht.
Von hier aus ist es leichter, Diesel und Proviant zu bunkern. Auch der Ausklarierungs-Marathon ist einfacher. Er führte mich zunächst zur Bio-Security, dann zu Immigration, Customs und zuletzt noch einmal zur Hafenbehörde. Leider streikte das indonesische IT-System. So musste ich insgesamt 3x zum etwa 2 km entfernten Customs-Office laufen. Während meines Wandertages besorgte uns ein lokaler Agent den erforderlichen Diesel. Die Qualität war ärgerlicherweise sehr schlecht. Er war braun und trug einige Schwebeteilchen in sich. Dank des Filtertrichters, den ich zusammen mit den Ersatzteilen nach Lombok geliefert bekam, konnte ich das gröbste herausfiltern. Andernfalls wären Vor- und Hauptfilter des Motors vermutlich noch während unserer Fahrt nach Uligan verstopft.
Damit waren die Vorbereitungen abgeschlossen. Ein letztes Mal ging es zum Supermarkt um die restlichen 250.000 Indonesischen Rupien in Nahrungsmittel zu tauschen.
Am 6.12. lösten wir die Leinen und machten uns auf den Weg nach Uligan in den Malediven.