Von Sabang zu den Malediven
Am 6. Dezember 2021 hieß es für Jakub und mich: „Leinen los“. Es geht auf die Malediven. Wir wollen auf einer der nördlichsten Inseln, Uligan, einklarieren und den Jahreswechsel verbringen. Der Weg dahin führt uns vorbei an Sri Lanka. Ein Zwischenstopp auf der Insel wäre schön, ist jedoch auf Grund der Pandemie und eines größeren Chemikalienunglücks nahe der Marina derzeit nicht empfehlenswert.
Kontakt zum Agenten
Bereits auf den Fidschi-Inseln nahm ich das erste Mal Kontakt mit Assad auf. Zu dem Zeitpunkt war nicht klar, ob wir in Indonesien einreisen können. Wir mussten daher darauf vorbereitet sein, nicht nur die 4.000 sm nach Indonesien, sondern ca. 7000 sm zu den Malediven zu segeln. Vom ersten Kontakt an hatte ich das Gefühl, dass wir bei ihm gut aufgehoben sind. Zwar ärgere ich mich, dass Agenten überhaupt notwendig sind, um in ein Land einzuklarieren, aber die Pandemie hat die Einreisebürokratie weltweit stark anwachsen lassen. Die neuen Regeln sind teilweise noch nicht rundgeschliffen. Daher ist es gut, jemanden vor Ort zu haben, der die Behörden und Fallstricke kennt.
Assad hatte bereits alle Unterlagen zur Crew und dem Schiff. Ich musste ihm lediglich die indonesischen Clear-Out-Dokumente zusenden. Dann begann unsere 1.380 sm lange Reise.
Nordwest-Monsun
Wie geplant und vorhergesagt setzte der erste stabile Nordwestmonsun der Saison kurz nach dem Verlassen der Inselabdeckung ein. Der Wind ermöglichte uns eine Fahrt von 5-6 kn. Ruck-Zuck waren wir 300 Seemeilen westlich von Sumatra.
Piraten?
Am 9.12. sahen wir nördlich von uns ein etwa drei Seemeilen entferntes Fischerboot. Der Wind war inzwischen etwas schwächer. Wir konnten jedoch mit 3-4 Knoten gemütlich Richtung Malediven segeln. Dann uns kam das Fischerboot immer näher. Sehr viel näher! Als es etwa 100 m neben uns war, schaltete ich sicherheitshalber den Motor ein.
Etwa 8 Seemänner, teilweise mit Mundschutz, gestikulierten wild und wollten etwas von uns. Ich signalisierte ihnen mit vollem Körpereinsatz, dass sie sich entfernen sollen – keine Reaktion. Ich legte den Vorwärtsgang ein und versuchte, mit maximaler Geschwindigkeit Abstand zu gewinnen. Das Boot blieb neben uns. Zeitweise nicht mehr als eine Bootslänge. Was wollten sie? Brauchen sie Hilfe? Unwahrscheinlich. Die Gesten deuteten nicht darauf hin und wer mir bei 8 kn Fahrt so dicht folgen kann, hat kein gravierendes technisches Problem. Wollen sie uns etwas verkaufen? Mir egal, wir wollen nichts kaufen. Wollen sie uns entern? Ungewiss.
Nach etwa einer halben Stunde gaben sie auf und drehten Richtung Sumatra ab. Wir beobachteten das Fischerboot noch solange, bis es am Horizont verschwand. Langsam sank mein Adrenalinspiegel wieder.
Einschussloch
Am Morgen des 13.12. entdeckten wir in der Windfahne ein Loch. Es sah aus, als hätte jemand hindurchgeschossen. Wir konnten uns keinen Reim darauf machen. Vermutlich ist ein fliegender Fisch in sie hineingeflogen. Ein bisschen Segeltape und sie ist wieder einsatzfähig. So langsam sieht man ihr aber an, dass sie einige tausend Seemeilen hinter sich hat. Ich bin froh, in meiner Reparaturtasche eine Ersatzfahne dabei zu haben.
Sri Lanka
Auf der weiteren Strecke ließ der erste Nordwestmonsun immer mehr nach. Wir verloren an Geschwindigkeit. Wäre es so weitergegangen, hätten wir wohl 2-3 Tage länger als geplant benötigt. Ein As hatten wir noch im im Ärmel:
Rund um Sri Lanka, das wir an seiner Südspitze passieren wollten, herrschte bei unserer Abreise in Sabang eine starke Strömung von 3-4 Knoten. Sie führt von Nordost kommend um die Südspitze herum und fächert dann Richtung Malediven auf. Sollte sie immer noch vorhanden sein, würde sie uns sehr weit tragen. Doch bis dahin waren es noch 300 Seemeilen, in denen wir es gerade so auf 100 Seemeilen pro Tag schafften. In dieser Zeit regnete es häufig. Am Horizont sah man Wetterleuchten. Gelegentlich war ein Donner zu hören. Wir hatten offensichtlich einen guten Kurs zwischen völliger Flaute im Süden und Gewitter im Norden gewählt.
In der Nacht zum 13. Dezember erreichten wir die Strömung von Sri Lanka. Ohne Änderungen am Wind nahm die Geschwindigkeit der Aurelia immer mehr zu. In nur eineinhalb Tagen passierten wir mit bis zu 8 kn Fahrt die gesamte Insel.
Halo
Ein außergewöhnliches Himmelsschauspiel bot sich mir in meiner Nachtschicht bei Vollmond. Die hohen dünnen Wolken erzeugten einen riesigen Halo um den Mond herum. In seinem Kreis konnte man die Sterne sehen. Der Rest des Sternenhimmels war von Wolken verdeckt. Leider kann die Kamera dieses beeindruckende Bild nur unzureichend wiedergeben.
Driftender Tanker
Zwei Tage vor Erreichen Uligans schafften wir dank guten Windes und anhaltender Strömung einen neuen Etmal-Rekord. Innerhalb von 24 Stunden konnten wir 173 sm zurücklegen. Dabei kreuzten wir den Weg eines mit nur einem Knoten driftenden Tankers. Ich hatte schon öfter davon gehört, dass sie auf hoher See warten müssen, bis sie einen günstigen Zeitpunkt erwischen, ihr Öl entweder zu einem hohen Preis zu löschen oder zu einem möglichst niedrigen Preis zu bunkern. Unsere optimale Route führte uns an seinem Bug vorbei. Der Steuermann des Tankers war darüber wenig erfreut und signalisierte seinen Unmut mit einem Morsecode via Scheinwerfer, den ich allerdings nicht entziffern konnte. Warum kein Funk?
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Ankunft
Am 17.12. erreichten wir Uligan. Pünktlich zum vor Wochen kalkulierten Zeitpunkt glitt der Anker um 15:45 Uhr in nur 5 Meter Tiefe durch glasklares Wasser auf den weißen Sand zwischen den Korallenriffen.
Ich konnte niemanden per Funk erreichen. Als einziges Segelboot vor der Insel in unmittelbarer Nähe zum Hafen waren wir jedoch nicht zu übersehen. Kurze Zeit später erschien Assad mit der gesamten Einklarierungsmannschaft. So eine professionelle Vorbereitung hatte ich auf der bisherigen Reise noch nicht erlebt. Alle notwendigen Dokumente waren vorbereitet. Ich musste sie nur noch unterschreiben und mit meinem Daumenabdruck als Bootsstempelersatz bestätigen.
Nach den etwa 20 Unterschriften fragte ich ihn, ob er uns eine SIM-Karte organisieren könnte. Er quittierte die Frage mit einem Griff in die Hosentasche und übergab mir die bereits aktivierte Karte. Sein Kollege half mir beim Aufladen mit dem gewünschten Datenvolumen. Wir waren wieder online.
Nun mussten wir einige Zeit warten, bis unsere Unterlagen von Customs, Immigration und Port Captain bearbeitet waren. Nichts fiel uns leichter als das. Nach dem Ankerbier gab es ein Bad im warmen, glasklaren Wasser und Online-Kontakt mit Freunden und Bekannten.
Was wir alles auf den Malediven erlebten erfahrt Ihr im nächsten Blog-Beitrag.