Überquerung der Biskaya
Nach 360 Tagen Planung, Schiffssuche, Kauf, Umrüstung und Vorbereitung der ersten Etappe ist es nun soweit. Es geht los.
3.10. – Anreise
Am Morgen des 3.10. wurde ich von Thomas und Evi zu Hause abgeholt.
Thomas wird mich auf der Überquerung der Biskaya begleiten. Er war bereits zweimal mit mir Segeln, unter anderem bei meinem allerersten Törn als Skipper. Evi brachte uns noch bis Dresden, von wo aus wir von Heiko nach Prag zum Flughafen gebracht wurden. Etwa 20 Minuten nach dem Start kam das erste Kommando vom Skipper „Volle Wende“. Ich hatte meine GoPro am Ladekabel vergessen. Trotz strammeren Bleifusses waren schon mal 30 Minuten unseres Puffers futsch.
Natürlich musste nun genau an diesem Tag auch noch die Prager Autobahn wegen eines Unfalls voll gesperrt werden. Also über die Dörfer. Es lief ganz gut und wir lagen wieder gut in der Zeit, um noch vor dem Boarding durch die Sicherheitskontrolle zu gelangen. Also schickte uns das Schicksal eine Polizeikontrolle – wieder 10 Minuten futsch. Letztendlich sind wir dann doch rechtzeitig da gewesen und starteten nach Paris. Dort angekommen verfehlten wir knapp den Weg zum richtigen Gate und mussten noch einmal durch die Sicherheitskontrolle. Nach kurzer Pause ging es dann mit einem kleinen Flieger weiter nach Lorient, wo wir bei Nieselregen glücklicherweise gleich ein Taxi bekamen. Schnell noch mit der Fähre nach Locmiquelic und wir erreichten Aurelia. Noch einen fetten Burger mit Bier und der Tag war geschafft.
4.10. – Letzte Vorbereitungen
Der Morgen des 4.10. begann erst einmal mit einem entspannten Frühstück und einem Boots“rundgang“. Dann erledigten wir letzte Arbeiten am Schiff und machten es startklar für die Abreise. So wurden die letzten Schrauben am Solardach durchgebolzt und gegen Lockern gesichert, die Zweitankerkette wieder im originalen Ankerkasten verstaut, der neue Anker angebaut, der uns nun mit 25 kg mehr Sicherheit bei Wind bietet. Die störrischen geschlagenen Festmacher tauschten wir gegen geflochtene, bereiteten das Leichtwindsegel vor und probierten uns an der Sturmfock. Ich kann mir noch nicht vorstellen, diese einmal bei einem Sturm auf See auf dem Vorschiff anzubringen. Kurz vor knapp schafften wir es dann noch zum Proviantieren in den Intermache. Natürlich begann es ausgerechnet dann wieder zu regnen. Der Tag endete mit einem leckeren Essen, das dabei half, die Kritik an meinem Billig-Werkzeug zu verdauen 😊.
5.10. – Der Start – Durchhalten
Um pünktlich 8:00 Uhr abzulegen, standen wir um 5 Uhr auf, checkten beim Frühstück den letzten Wetterbericht und schalteten das Navi ein. Schreck! Nur rudimentäre Daten vorhanden. Keine detaillierten Tiefen, keine Texte, keine Seezeichen. Das alles war wenige Tage vorher beim Check des Radars noch vorhanden. So kann man nicht losfahren, war mein erster Gedanke, also Karte raus und in den PC – Updateservice von Navionics installiert und die Karte aktualisiert. Wieder rein in den Plotter – nix. Hotline – nicht erreichbar. Inzwischen war es 9 Uhr und ich konnte verschiedene Firmen anrufen, doch keiner hatte eine Ersatzkarte bereit.
Kurz vor 10:00 Uhr fiel dann auf Grund der Wetterdaten die Entscheidung, dass wir mit den Papierkarten und OpenCPN als Plotter starten.
5 Minuten später hatten wir abgelegt und motorten erst einmal entspannt durch den Tonnenstrich, bevor wir hinter der letzten Tonne die Segel setzten. Laut Wetterbericht erwartete uns folgendes:
Bis etwa 1:00 Uhr Richtung Westen mit südwestlichen Winden „Höhe“ gewinnen. Dann durch eine Wetterscheide die nach Nordwest drehenden Winde nutzen, um Kurs auf Spanien zu setzen. Laut Wetterbereicht sollten am Montag vor Spanien östliche Winde einsetzen, mit denen wir nach A Coruna segeln könnten.
So in etwa begann es auch. Wir segelten entspannt gen Westen bis es nahe der Wetterscheide ungemütlich wurde. Zuerst kam der Sprühregen und dann immer rauhere See mit kurzen Wellen um 1m und langen Wellen von 3m. Eingeweicht und durchgekühlt erreichten wir bereits kurz nach Mitternacht die Wettergrenze. Innerhalb weniger Minuten drehte der Wind auf Nordwest und wir konnten Kurs auf Spanien nehmen. Ach ja, und der Skipper wurde erst mal seekrank. Das zweite Mal in seiner Seglerzeit. Aber es nutzt ja nix, gesegelt werden musste trotzdem. Während meiner Nachtwache sah ich dann immer wieder Wellenkämme, die sich entgegen zu den anderen bewegten. Als sie dann auch noch anfingen zu springen war klar, wir wurden von etlichen Delfinen begleitet. Leider war es viel zu dunkel für eine Aufnahme.
6.10. – Schelfüberquerung
Der Kurs war so angelegt, dass wir erst im Morgengrauen auf die Schelfkante treffen. An ihr können sich die Wellen des Atlantiks unter bestimmten Umständen recht ordentlich aufbäumen. Das war an unserem Horizont auch gut zu erkennen. Von Brechern war jedoch keine Spur. Also nahmen wir unser Herz in die Hand und steuerten in rechtem Winkel Richtung Tiefsee. Auf wenigen Meilen änderte sich die Tiefe von ca. 200m auf über 4000m.
Der Rest des Tages ist schnell erzählt: Schlechtes Wetter, hohe Wellen, wenig Schlaf, kalt und ungemütlich.
In der Nacht besserte sich das Wetter und die See, so dass wir ausrefften und mit 5-7kn durch die Nacht stampften.
7.10. – Oder doch nach Gijon?
Der Morgen begann mit schönem Wetter. Leider zog es sich nach wenigen Momenten wieder zu. Gegen Nachmittag wurden wir wieder nass.
Im Laufe des Tages wurde klar, dass wir mit den vorherrschenden Winden aus SSW nicht ohne langes Kreuzen und zwei weiteren Nächten nach A Coruna gelangen. Also nahmen wir Kurs auf Gijon.
Die Nachtfahrt fing gut an und wurde zusehends schlechter. Der Wind frischte auf (bis zu 20 Knoten), Regen und Seegang nahmen stündlich zu. 3:40 Uhr meldete sich das AIS mit einem Kutter auf unserem Kurs. Also sicherheitshalber eine Wende gen Westen. Eigentlich stand der Wind jetzt günstig für eine Weiterfahrt nach A Coruna. Wir blieben aber bei der Entscheidung, uns erst einmal in Gijon zu erholen.
8.10. – Ankunft in Gijon
Auch der letzte Morgen begann mit schönem Wetter, welches sich dann bis zur Einfahrt nach Gijon schrittweise so weit verschlechterte, dass wir das ursprünglich in Sichtweite befindliche Land wieder aus den Augen verloren. Selbst auf kurzer Distanz verschwand der Hafen noch komplett hinter den mehr als 4m hohen Wellen.
Also schnell noch ein Mittagessen! Oder war es das Abendbrot? Die Mahlzeiten verschwimmen nach 75 Stunden. Dabei wurde eines immer klarer: Mit Thomas kam nicht nur eine wichtige Unterstützung, sondern auch ein guter Koch an Bord. Leider war das Brot mittlerweile so hart, dass mir jetzt ein Schneidezahn fehlt und ich nun irgendwo mal einen Zahnarzt aufsuchen muss.
Die Einfahrt verlief trotz Sprühregen, schlechter Sicht, hohen Wellen und Navigation via Tablet problemlos. Die Marina-Mitarbeiter waren pünktlich zur Stelle, um uns beim Anlegen zu helfen. Nach dem Anlegerbier ging es dann nach 78h endlich unter die Dusche. Nach einem deftigen Abendbrot brauchten wir nicht mehr viele Gläser Rum, um ins Bett zu fallen.
Wichtige Erfahrungen
Autopilot verbraucht beim Segeln viel zu viel Strom. Bei schlechtem Wetter im Herbst ist der Akku nach 48h aufgebraucht. Wir mussten den Motor nutzen, um die 12V-Akkus zu laden. Das sollte mit Windfahne und besserem Wetter nicht mehr nötig sein. Die Windfahne hatten wir noch nicht in Betrieb, da wir zunächst einmal genug neue Sachen auszuprobieren hatten: Erste Nachtfahrt, erste Hochseefahrt, erste starke Belastung des Solardachs, das übrigens auch bei schwerer See bisher keine Schwäche zeigte.
Irgendeinen blinden Passagier mussten wir an Bord gehabt haben, denn immer, wenn wir nach unten gingen, lagen unsere Sachen in einer anderen Ecke.
Schäden und Verluste
• ein 10er Maulschlüssel
• ein Go-Pro-Gehäuse
• ein Uhrenarmband
• ein Zahn
Statistische Daten
• Start um 10:00 Uhr in Locmiquelic
• Ankunft um 15:40 in Gijon
• Strecke: 352 sm
• Durchsnittsgeschwindigkeit: 4,5 kn
• Maximale Geschwindigkeit: 8,8 kn
• Fahrtzeit: 78h
Last but not least
Vielen Dank für Eure virtuelle Begleitung in den Social Media. Ich freue mich auf Eure weitere Begleitung und Eure Kommentare zu den Artikeln.
2 KOMMENTARE
Moin Jörg,
der Start klingt nach nicht allzuviel Spass.Da kann es ja nur besser werden!
Good luck
Kai
Hi Kai, ach doch, das bei so einem Abenteuer nicht alles glatt geht, war ja klar. Aber die Herausforderung habe ich gesucht und es macht Spass zu sehen, wie viele Dinge aufgehen, die ich mir so überlegt habe. Mittlerweile sind wir auf dem Weg nach Porto und ich hoffe bald die Zeit zu finden, von neuen Erlebnissen zu berichten. VG Jörg