Die Fahne in den Wind hängen
Wir haben heut schon den 11. September. Weniger als 24 Tage bis zum Ablegen. Der Morgen ist noch jung und ich möchte die Gunst der ruhigen Stunde nutzen, um Euch schnell von der Installation der Windfahne zu berichten.
Funktionsweise
Bei einer Windfahnensteuerung wird eine Fahne so in den Wind gestellt, dass sie bei dem gewünschten Kurs senkrecht steht. Verändert sich nun der Winkel des Schiffes zum Wind, kippt die Fahne nach Lee (also auf die dem Wind abgewandte Seite) und dreht damit das Ruder in diejenige Richtung, die die Fahne wieder nach oben bringt. Dadurch wird das Schiff bei ausreichender Fahrt wieder auf den ursprünglichen Kurs zum Wind gestellt. Ganz automatisch, ohne Mensch und Elektronik.
Vorüberlegungen & Auswahl
Bei meinen ersten Überlegungen und Vorplanungen zur Weltreise bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass ich mit dem hydraulischen Autopiloten auskomme. Schließlich habe ich ja eine große Solaranlage auf dem Schiff. Stromversorgung sollte also gewährleistet sein. Studiert man die Berichte, Videos und Blogs von Langfahrtseglern intensiver, wird man häufig von drei Problemen hören: Motor, Ruderanlage und Autopilot. Nun habe ich ein vergleichsweise junges Schiff, aber man kann ja nie wissen…
Die Vorteile der ausgewählten Windsteueranlage sind nicht zu verachten:
- Das Boot kann ohne Strom in konstanter Lage zum Wind gehalten werden. Das ist besonders dann wichtig, wenn man allein segelt. Mit einer Hand wird der Ausfall des Autopiloten innerhalb von 20-30 Stunden zum Seenotfall. Schließlich muss man ja irgendwann einmal eine Mütze Schlaf nehmen.
- Die Windsteueranlage besitzt Notrudereigenschaften. Kommt es zu einem Verlust oder zur Funktionsunfähigkeit der Hauptruderanlage, kann das Schiff weiterhin gesteuert werden.
- Gleiches gilt natürlich für einen Stromausfall.
- Last but not least ist so eine Steuerung effizient, ressourcenschonend, leise und komfortabel. Also im Gegensatz zu vielen „Smart Home“-Ansätzen der heutigen Zeit eine echte smarte Lösung für meine Mobilie.
Nach einiger Internetrecherche bin ich auf die Steuerung von Hydrovane gestoßen, die auch noch vom gleichen Yachtausrüster bevorzugt wird, auf den ich bereits mehrfach in anderen Themen gestoßen bin: Tom Logisch
Nach kurzem Mailverkehr war klar: Der Kontakt passt, das Vertrauen ist da und auch die Bereitschaft, mich bei der Installation remote zu unterstützen. Eine Installation durch das Tom-Logisch-Team in Locmiquelic wäre mir zwar fast lieber gewesen, war aber auf Grund der kurzfristigen Umsetzung schwierig und wegen der hohen Reisezeiten auch nicht gerade ökonomisch. Darüber hinaus hat eine Eigeninstallation noch den Vorteil, dass man genau weiß, was wo wie angebracht ist. Das erleichtert eventuelle Reparaturen.
Installation (single-handed!!!)
Wie bereits in einem der vorherigen Blogeinträge berichtet, waren sich beim ersten Installationsversuch die Fahne und das Solardach im Weg. Nachdem ich eine kürzere Welle und Fahne in Berlin abgeholt hatte, konnte die Installation nun endlich beginnen. Mit den richtigen Tipps aus den Hydrovane-Videos und der Installationsanleitung von Tom ist es gar nicht so schwer. Es müssen lediglich 6 Löcher gebohrt, zwei Edelstahlrohre zurechtgesägt und etliche Schrauben angezogen werden. Schon kann die Anlage zusammengesteckt und getestet werden. Der Teufel steckt wie immer im Detail und die Zeit im zig-fachen Messen, bis man sich wirklich sicher ist, dass alles passt. Schließlich bohrt man 6 größere Löcher in den Rumpf – an Stellen, wo durchaus mal Wasser eindringen kann. Als größte Schwierigkeit erwies sich die untere Befestigung, da ich diese von außen anhalten und gleichzeitig in der schmalen achterlichen Backsskiste ganz unten hinter dem Knick mit Muttern festschrauben musste, ohne dass sich die Schrauben mitdrehen. Denn diese sind in Dichtmasse eingebettet und das ständige Drehen wäre der Dichtigkeit nicht zuträglich. Zwei Meter lange Arme mit 4-5 Gelenken wären da nicht schlecht gewesen. Aber mit Panzertape, Leinen und einer Gripzange gelang es mir dann irgendwann.
Natürlich musste auch etwas schief gehen. Auch wenn ich zuvor jedes Bauteil mit einer Sicherungsleine gegen das Abtauchen gesichert hatte, war ich nach 2 Tagen voller Messen, Bohren, Sägen, Schrauben und Kleben in den unmöglichsten Positionen kurz unkonzentriert. Ein abgeflachter Zylinder der oberen Befestigung rutschte mir durch die Hand und machte sich taumelnd auf den Weg in die Tiefe.
Aber Aufgeben gibt es nicht. Mit Säge und Akkuschrauber war schnell ein Ersatzteil aus dem Stiel des Schrubbers gebaut.
So konnte die Installation abgeschlossen und der Probebetrieb begonnen werden.
Das Ersatzteil ist inzwischen gegen einen „kleinen Obolus“ aus England eingeflogen und wird vor dem finalen Ablegen eingebaut. Der Spruch aus dem Installationsvideo „Safety lines on everything“ wird mir wohl noch eine Weile in den Ohren läuten.
Fazit
Die 1-Mann-Installation der Hydrovane ist möglich, aber nicht empfehlenswert. Eine zweite Hand verkürzt die Arbeitszeit erheblich, weil das ständige Rein- und Rauskriechen entfällt und einem auch mal das Werkzeug gereicht werden kann.
Die Hydrovane ist für mich ein positives Beispiel evolutionärer Ingenieurskunst. Sie ist an vielen Stellen sehr durchdacht. Sie macht einen sehr soliden Eindruck und der Werkzeugbedarf beschränkt sich auf wenige Teile, die in der Regel jeder an Bord hat.
PS: Interessieren Dich solche technischen Details? Schreib mir doch in die Kommentare, wie Dir der Beitrag gefällt und wovon Du mehr erfahren möchtest!