Zurück nach Curaçao
Am 30. September ging es zurück nach Curacao. Mehr als vier Monate hat die Aurelia dort allein verbracht. Wie verläuft so Reise in Corona-Zeiten? Wie geht es dem Schiff?
Gepäck und Dokumente
Noch ist nicht klar, wie lange die nächste Etappe dauern wird. Vermutlich werde ich länger unterwegs sein, als beim ersten Mal. Vielleicht ein ganzes Jahr. Also gab es viel einzupacken. Das Limit von 23 kg für das Aufgabegepäck und 12 kg für zwei Handgepäckstücke wollte ich voll ausreizen. Doch dann bekam ich eine Notiz von KLM, wonach nur ein Handgepäckstück zulässig sei. Das würde bedeuten, 10 kg Kleidung und Lebensmittel müssen daheim bleiben, denn der Rucksack voller Elektronik und Dokumente muss mit. Reisedokumente gibt es in Corona-Zeiten reichlich:
- Kopie der digitalen Einreisekarte
- Gesundheitserklärung für Curacao
- Gesundheitserklärung für KLM
- Patientenverfolgungskarte für Curacao
- Negativer PCR-Test im Original
- Negativer PCR-Test in der englischen Übersetzung
Ich beschloss, die Nachricht zu ignorieren.
Zum Flughafen
Am frühen Morgen, kurz vor 3:00 Uhr, holte mich mein Schwager ab und brachte mich nach Tegel. Zeit, sich von den Katzen zu verabschieden. Ihre Blicke machten es mir nicht leicht.
Kurz nach der Abfahrt vibrierte das Telefon. Wieder eine Nachricht von KLM. Ich muss mein Handgepäck aufgeben, da der Flug ausgebucht ist. Prima, so sollte ich mein zweites Handgepäckstück problemlos mitbekommen.
Tegel
Nach langem Anstehen an der Gepäckaufgabe ging es gleich hinein in den Sicherheitsbereich. Natürlich musste ich meinen Rucksack auspacken und auf Drogen/Sprengstoff untersuchen lassen.
Die Fluggäste gingen zu 90% vorsichtig miteinander um. Abstände wurden halbwegs eingehalten. Fast alle trugen die Maske über Mund und Nase. Lediglich eine polnische Reisegruppe benutzte sie als Kinnschutz.
Flug nach Amsterdam
Der Flug nach Amsterdam verging schnell und ohne die befürchtete Platzangst. Vor einigen Jahren wurde ich einmal in einer am Boden stehenden Ryanair-Maschine bei hohen Temperaturen stundenlang ohne Klimaanlage eingesperrt. Seither befällt mich gelegentlich und völlig unvorbereitet eine extreme Platzangst. So etwas kann man sich vermutlich nur vorstellen, wenn man es erlebt hat:
Der rationale Verstand wird zurückgedrängt. Der Puls geht nach oben. Schweiß tritt auf die Stirn. Man bekommt schwer Luft. Es ist, als würde jemand die Brust zuschnüren. Der Drang, die Situation zu verlassen, also sich gegen den Strom der Fluggäste aus der engen Röhre zu befreien oder eine bereits geschlossene Flugzeugtür wieder zu öffnen, ist nur schwer zu unterdrücken.
Ein Zulassen der Angst, verbunden mit einer aktiven Auseinandersetzung, fast schon einem Dialog mit ihr, haben mir geholfen. Das unterbrach die Angstspirale. Sie verlor von mal zu mal an Kraft. Nun scheint sie vollends verschwunden zu sein. Das ist ein gutes Gefühl!
Schiphol Amsterdam
Ich mag diesen Flughafen. Das Laden von Handy und Co. ist an vielen Stellen möglich. Es gibt unzählige Aufenthaltsmöglichkeiten abseits der Gates. Jede ist anders gestaltet. Eine hatte sogar einen Flügel. Auf ihm spielte ein Fluggast für seine Freundin via Video-Chat ein Lied. Wunderschön!
Auf dem Weg zum Übersee-Gate kam ein Sicherheitsbeamter auf mich zu. „Random Control!“. Was hab ich heute nur an mir? Noch einmal musste ich Rucksack auspacken und mich durchleuchten lassen. Natürlich ohne Befund.
Die fünf Stunden Aufenthalt wollte ich mit ein paar Arbeiten am Computer überbrücken, als ein Evakuierungsalarm ertönte. Bald stellte sich heraus, dass es ein Fehlalarm war. Auf Grund des Lärms packte ich dennoch mein Zeug zusammen und verschwand. Später stellte ich fest, dass ich in der Eile meine Noise-Cancellation-Kopfhörer liegen ließ. Leider fanden sie schnell einen neuen Besitzer. Ärgerlich! Hätte ich so einen Fund abgegeben? Ich denke schon.
Schließlich begann das Boarding. Am Gate wurde bei allen das Vorhandensein eines negativen PCR-Test gründlich kontrolliert. Anschließend drängten sich viele unnötig dicht am/im Finger. Gemeinsam mit einigen anderen Geduldigen wartete ich, bis sich das Knäuel auflöste. Unverständlich, warum KLM in der aktuellen Lage die Leute nicht nach Sitzreihen einsteigen lässt. Das wäre viel entspannter, sicherer und vermutlich auch nicht langsamer.
Ebenfalls ärgerlich: In den Langstreckenfliegern von KLM gibt es keine persönliche Luftduschen mehr. Es wäre ein besseres Gefühl gewesen, sich mit frischer, HEPA-gefilterter Luft versorgen zu können.
Als endlich alle im Flugzeug ihren Platz fanden, ging es trotzdem nicht los, weil eine Passagierin ihren dicken Koffer nicht ins Gepäckfach bekam. Erst nach langer Diskussion mit einem chinesischen Übersetzer nahm sie einige Wäsche heraus und quetschte ihn hinein.
Der Service auf dem Flug war wegen der Pandemie reduziert, aber für meine Ansprüche OK. Das Essen weniger. Ich bin kein Gourmet, aber ein Nudelsalat als Vorspeise mit Nudeln als Hauptgericht fällt sogar mir negativ auf. Auch der Rest der Verpflegung bestand zu 90% aus Kohlenhydraten.
Einreise
Nach etwas mehr als neun Stunden Flug landeten wir in Curacao.
Das von KLM geforderte reihenweise Aussteigen klappte so einigermaßen. Die Papierunterlagen wurden noch vor Immigration geprüft. Die Passkontrolle erfolgt hier mittlerweile mit Automaten. Ich war recht weit vorn und hoffte, schnell aus dem Flughafen zu gelangen. Doch der Automat schaltete auf Rot. Ich wurde aussortiert und musste warten, bis alle anderen Passagiere abgefertigt waren.
Entgegen meiner Erwartung hatten die Behörden die Tage meines bisherigen Aufenthalts genau gezählt, auch die während des Lockdowns. Sie errechneten einen Rest von 12 Tagen. Diese akzeptierte ich zunächst, um endlich rauszukommen. Mein Gepäck lag vor dem bereits abgestellten Band. Im Handgepäck hatten sich 100g Gemüsebrühen-Pulver aus der Verpackung befreit und ausgebreitet. An sich nicht schlimm, wäre da nicht die hohe Luftfeuchtigkeit und das hygroskopische Verhalten des Pulvers. Nach wenigen Minuten gab es erste braune Flecken auf den Unterlagen und Büchern. Sehr ärgerlich.
Die Übergabe des Mietwagens verlief trotz vorherigem Einscannens aller Dokumente per Handy auch nicht schneller als sonst. Mittlerweile wurde es dunkel und dank der fehlenden Fernentriegelung dauerte es ewig, bis ich den Kleinstwagen fand.
Eine knappe Stunde später war ich endlich auf der Aurelia. Abgesehen von einer dicken Staubschicht lag sie da, als hätte ich sie eben erst verlassen.
Nach kurzem Lüften und einer nicht enden wollenden Befreiung des Handgepäcks vom Gemüsebrühen-Pulver endete ich nach der 23-stündigen Reise in der Koje.