Was, wenn …
Sieben Tage vor dem (hoffentlichen) Restart nimmt der Anteil an Gedanken der Art “Was mache ich wenn xyz passiert?” wieder einen größeren Raum ein. Mit dem heutigen Beitrag möchte ich Euch einen kleinen Einblick gewähren, wie ich einige der Risiken an Bord weiter verringern werde.
Probleme der Eintrittswahrscheinlichkeit
Nicht nur beim Segeln muss man mit Risiken unterschiedlicher Art umgehen. Auch im privaten und beruflichen Leben. Als Projekt-/Programm-Manger waren für mich zwei Risiko-Merkmale besonders wichtig:
- die Eintrittswahrscheinlichkeit und
- der Schweregrad.
Während es den meisten Menschen leichtfällt, mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeiten umzugehen, sieht es bei niedrigen nicht so gut aus. Hier müssen oft Regeln definiert und befolgt werden, um einen Eintritt zu verhindern. Das liegt in meinen Augen an zwei Dingen:
- Die Auswirkungen werden nicht durch persönliche Erfahrungen gedeckt.
- Angst, Vorsicht und Prävention sind für einige schwer zu trennen.
Das wird in der aktuellen Corona-Pandemie recht deutlich. Doch diese Probleme und der richtige Umgang damit stehen auf einem anderen Blatt/Post. Hier geht es um die Verringerung von Segel-Risiken, die vermutlich nicht eintreten, aber eine große Auswirkung hätten:
Was, wenn …
… jemand unbemerkt ins Wasser fällt?
Auf dem Atlantik galten die Regeln: Wer sich allein an Deck befindet, leint sich an! Auf das Vorschiff geht man nur, wenn sich eine zweite Person im Cockpit befindet!
Fällt jemand ins Wasser, ist er insbesondere nachts nach wenigen Sekunden nicht mehr zu retten. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass trotzdem jemand über Bord geht, gibt es zukünftig einen MOB-Sender. Er wird an der Schwimmweste befestigt und löst an Bord einen Alarm aus, sobald sich der Sender im Wasser befindet. Dieser hier setzt nicht nur ein DSC-Signal aus, sondern fungiert zusätzlich als AIS-Sender. So können die Aurelia und andere Schiffe den Verunglückten und seine Position auf dem Plotter gut erkennen und ihn weiträumig umfahren :-). Nein, natürlich retten!
… Wasser eindringt und keiner bemerkt es?
Ein Leck im Schiff muss unbedingt zügig gefunden werden. Sobald es sich unter dem Wasserstand innerhalb des Schiffs befindet, ist es nur noch schwer auszumachen. Daher ist es wichtig, frühestmöglich darüber informiert zu werden. Dazu befindet sich in der Bilge der Aurelia ein Schwimm-Schalter. Er hat in der Vergangenheit nicht immer akkurat funktioniert und wird jetzt ausgetauscht. Auch der Alarm war nicht laut genug. Hierfür wird jetzt ein Piezo-Signalgeber eingebaut. Er schrillt mit 80 dB auch den müdesten Seemann aus seiner Dämmerung.
… die Bilgenpumpe nicht funktioniert?
Dann gibt es immer noch die zweite, manuelle Pumpe. Die elektrische musste ich bereits einmal reparieren (Siehe Blog-Eintrag). Außerdem bin ich auf Grund der Corona-Krise demnächst vermutlich auch allein oder nur mit kleiner Crew unterwegs. Darum kommt eine weitere Tauchpumpe an Bord. Sie kann mit 12V betrieben werden und liefert etwa 60 Liter pro Minute nach draußen.
… man ausgerechnet beim Umpicken das Gleichgewicht verliert?
Geht man bei höherem Seegang auf das Vorschiff, sollte dies nur angeleint geschehen. An Bord der Aurelia hat jedes Crew-Mitglied einen Sicherheitsgurt an seiner Weste. Er hat einen Haken, mit dem man sich am Schiff sichern kann. Allerdings ist man während des Umpickens ungesichert. Daher kommt nun ein zusätzlicher Gurt an Bord. Mit seinen zwei Haken kann man sich nun wechselseitig am Schiff befestigen. So ist man zu keiner Sekunde ungesichert.
… das Vorsegel schnell gewechselt werden muss?
Spätestens ab Windstärke 8 sollte das Vorsegel durch eine Sturmfock ersetzt werden. Jeder, der es schon einmal probiert hat, weiß, das ist gar nicht so einfach und keinesfalls schnell erledigt. Dabei zählt jede Sekunde. Der neue Soft-Schäkel ist genau für solche Anwendungsfälle gedacht. Dank ihm kann man mit wenigen Handgriffen beide Schoten von einem Segel ab- und am anderen wieder anschlagen. Ich bin gespannt, wie er sich bewährt.
… die Rückholleine reißt?
In Martinique habe ich die stark verschlissene Rückholleine der Genua durch eine vermeintlich gleichstarke neue ersetzt. Aber schon beim Einziehen konnte man fühlen, dass 8 mm wohl recht unterschiedlich interpretiert werden können. Daher wird sie jetzt durch ein verlässlicheres Material ersetzt:
… man auf hoher See einen guten Wetterbericht benötigt?
Auf dem Atlantik waren wir mit den recht stabilen Passatwinden unterwegs. Auch, wenn es sich nicht immer so angefühlt hat. Hierfür war das bisher an Bord befindliche inReach ausreichend und hat sich bewährt. Es kann punktuelle Marine-Wetterberichte abrufen und über eine App darstellen. Was jedoch gänzlich fehlt, sind Wetterkarten.
Auf Grund der unsicheren Lage und der Unklarheit, auf welcher Route ich die Heimreise antreten kann, habe ich mich dafür entschieden, ein Satelliten-Modem an Bord zu nehmen. Mit ihm kann man per Handy/Tablet telefonieren, Mails absenden und GRIB-Dateien empfangen. Mit diesen lässt sich das Wettergeschehen der nächsten Tage auf einer Karte darstellen. So bekommt man einen viel besseren Überblick und kann seine Route sicher gestalten. Leider ist das Gerät noch nicht eingetroffen, aber immerhin schon die passende SIM-Karte. Die Aufladung wird allerdings nicht ganz billig. Für 750 EUR kann man in einem Zeitraum von 12 Monaten entweder 500 Minuten telefonieren oder 1000 Minuten Daten abrufen.
… alle elektronischen Seekarten ausfallen?
An Bord der Aurelia befindet sich ein Plotter (Schiffs-Navi), mindestens 1 Mobiltelefon und ein Tablet. Mit jedem dieser Geräte kann man die Seekarte einschließlich der aktuellen Position darstellen. Ein Ausfall aller drei ist schwer vorstellbar. Selbst bei einem kompletten Stromausfall kann die Powerbank bei sparsamer Nutzung lange Zeiträume überbrücken. Auch für einen möglichen Blitzschlag ist vorgesorgt, wenn man die kleinen elektronischen Geräte rechtzeitig in die dafür vorgesehene Metallbox steckt.
Die Wahrscheinlichkeit ist also recht gering, aber die Auswirkung wäre enorm. Daher beschaffte ich zumindest die wichtigsten ADMIRALTY Charts des UK Hydrographic Office. Ein Sextant und eine genaue Uhr sind bereits an Bord. So kann ich auch ganz ohne Strom und Satelliten navigieren. Die Fertigkeiten der Astronavigation muss ich allerdings noch trainieren.
Soweit ein kleiner Einblick in einige Risiken der Seefahrt und in meine Gedanken so kurz vor der Abreise. Ich freue mich auf Eure Kommentare und Anregungen.
4 KOMMENTARE
Lieber Jörg, ich wünsche dir alles Gute und vor allem viel Erfolg! Cheers aus Berlin. Derek
Hallöchen , wir die
http://seevagabunden.blogspot.de
wünschen dir alles Gute für deine weitere Reise und danke für unser nettes Treffen heute bei dir auf dem Boot. Lg von Inge und Klaus bleibe gesund und munter und ohne den verdammten VIRUS.
Hi Jörg,
ich finde es echt krass mutig unter den aktuellen Bedingungen die Expedition fortzusetzen!
Alles Gute für die nächste Etappe. Ich hoffe Wind und Wetter bleiben Dir wohlgesonnen und das bisschen Technik hast Du ja eh unter Kontrolle 🙂
Das beste ist ja, das es auf dem Wasser kein Covid-19 gibt, oder?
Ich drücke Dir die Daumen!
Viele Grüße
Volker
Hallo Volker,
vielen Dank fürs Daumen drücken! Ja, die Zeiten sind verrückt. Das Timing war bewusst so gewählt, weil ich vor einer zweiten Welle wieder in Curacao sein wollte. So langsam wechselt man bei der Bekämpfung der Pandemie von pauschalen Verboten zu Geboten. Es halten sich zwar sehr viele daran aber leider immer noch zu wenige. Dennoch hoffe ich, der Trend hält an. Auf eine Impfung warten, dauert mir zu lange. Irgendwann will ich ja auch wieder daheim sein.
Viele Grüße
Jörg