
Ankunft in den Marquesas
3800 Seemeilen der Pazifiküberquerung liegen nun hinter uns. Das erste Land war bereits gestern in Sicht. Als die Sonne unterging, verließ uns der Wind vollends. Die See wurde spiegelglatt. Jetzt war ich froh, dass wir uns den Diesel so gut eingeteilt hatten. Ohne lange zu überlegen bargen wir die Segel und warfen den Motor an. Maya begann die Wache der letzten Nacht. Dann folgte Sheila. Ich hatte mir die letzte Schicht zugewiesen. So kurz vor der Bucht hätte ich ohnehin nicht schlafen können.
Die letzten Meilen
Sheila ging es ähnlich. Als ich sie ablöste, holte sie sich nur ihre Decke aus der Kajüte und blieb im Cockpit. Irgendwann fielen ihr aber doch die Augen zu. Elf Meilen vor dem Ziel weckte ich sie. Wir kochten uns schnell einen Kaffee. Dann war der Zeitpunkt gekommen, um das letzte Meilensteinfoto zu schießen.
Nun frischte der Wind überraschend auf. Wir können die letzten Meilen ohne Motor zurücklegen. Perfekt! Als sich dann die eben erwachte Maya zu uns gesellte, saßen wir alle drei auf der Steuerbord-Seite und versuchten, uns am Land satt zu sehen. Viele sinnvolle Sätze konnten wir nicht von uns geben. Es wechselten sich nur Worte wie „Wow“, „Amazing“, „So nice“ ab.
Am liebsten wäre ich gleich in die erste Bucht hineingefahren. Zur Anmeldung müssen wir jedoch nach Taiohae. Bis dorthin begleitete uns „1492“ von Vangelis. Kolumbus hat es zwar nicht bis hierher geschafft, aber die Musik passt einfach perfekt zu unserer Ankunft.
Ankern
Bei all der Vorfreude und den Emotionen fiel es uns nicht ganz leicht, uns noch einmal auf das Ankern zu konzentrieren. Dafür bekamen wir es aber sehr gut hin. Ich fuhr den Ankerbereich auf der östlichsten Seite an und drehte dann nach Westen. So konnte ich mir auf der Steuerbordseite einen guten Überblick über die Positionen der einzelnen Schiffe verschaffen. Hier ist es gegenüber meinen bisherigen Ankerplätzen mit 17 m ziemlich tief. Wir benötigten fast die gesamte Kettenlänge. Entsprechend groß ist der Schwojenkreis.
Wenig später zeigte sich, wie wichtig ein großer Abstand ist. Die spezielle Mischung von Wind, Schwell und Strömung führt in dieser Bucht dazu, dass die Boote nicht unbedingt in die gleiche Richtung schwojen. Daher weiß man beim Ankommen nicht, auf welcher Seite des Ankers sich die umliegenden Schiffe befinden. Der Abstand muss also entsprechend groß gewählt werden.
Wir fanden schnell eine geeignete Stelle, die uns genügend Platz zu den benachbarten Yachten bot. Dann war es soweit. DER ANKER FIEL nach genau 5 Wochen und 5 Stunden und 3848 Seemeilen.
Es war zwar erst 9:30 Uhr, dennoch ließen wir es uns nicht nehmen, diesen Moment mit einem Cocktail zu feiern.
Ich machte mich schnell an die letzten Eintragungen im Logbuch, der Seekarte und dem Statelliten-Tracker. Als alles erledigt war, nahm ich meine großartige Crew sprachlos in die Arme und lies das Ende dieser langen Reise für einige Momente auf mich einwirken. Seit vielen Wochen sind wir nun gemeinsam unterwegs. Fünf davon, ohne das Boot zu verlassen. Kein einziges Mal gab es eine Situation, die den Namen Streit oder Knatsch verdient. Danke Maya! Danke Sheila!
Natürlich gab es auch noch einen speziellen Dank und eine Umarmung für unseren Autopiloten „Penny“, der uns ohne Ausfall über den Pazifik gebracht hat.
Land unter den Füßen
Nachdem wir das Ankommen gebührend gefeiert hatten, gab es kein Halten mehr. Wir wollen so schnell wie möglich an Land. Also packten wir das Dinghy aus, pumpten es auf und brachten den Motor an. In den meisten Ländern darf die Crew erst von Bord, wenn der Skipper die Einklarierung erledigt hat. Für den Fall, dass es hier anders läuft, schaffte mich Sheila an Land und fuhr mit dem Dinghy die 700 m zurück zum Schiff.
Die ersten Schritte waren komisch. Die ganze Insel wackelte und stand doch still. Breitbeinig setzte ich einen Fuß vor den andern. Ich konnte alles riechen. Den Beton unter den Füßen, den Fisch vom Markt, den Kaffee und das Gebäck aus der Snackbar, die Bäume am Wegrand und leider auch die Abgase der Autos. Von ihnen gab es mehr als erwartet. Bis zur nur wenige 100 Meter entfernten Gendarmerie wurde ich von einigen überholt. Dort angekommen begann ich, die notwendigen Formulare auszufüllen. Der Officer entschuldigte sich dafür, dass ich einige Daten zweimal notieren musste. Ich wiegelte ab und erklärte ihm in groben Zügen das achtstündige Verfahren von Costa Rica. Dann wollte er zu meiner Verwunderung die Crew sehen. Also ging ich schnell zurück zum Dock, informierte die beiden Mädels über das mobile Funkgerät und kehrte zurück zur Gendarmerie. Die beiden machten sich sofort auf den Weg. Ihre Freude ist nicht zu übersehen:
Ich erledigte inzwischen die letzten Eintragungen und erhielt ein Dokument, mit dem wir unsere ordnungsgemäße Einreise nachweisen können. Passeintragungen gibt es für Europäer nicht.
Nachdem sich der Gendarm davon überzeugt hatte, dass die inzwischen eingetroffene Crew tatsächlich existiert und die Angaben der Crewliste korrekt sind, waren wir entlassen. Das ganze Prozedere hat dank der Voranmeldungen keine 30 Minuten gedauert.
Jetzt konnten wir den Landgang genießen. Der erste Weg führte uns zur Bank. Die Währung von Französisch Polynesien ist der Zentralpazifische Franc XPF. Er hat einen festen Kurs von 119:1 zum EURO. Bei dem einen oder anderen war das Kopfrechnen noch etwas eingerostet. Mit 30000 XPF wurde dem Automaten dreimal soviel abverlangt wie gewollt. Ich hatte damit weniger Probleme. Dafür muss ich wohl das Tragen und vor allem das Mitnehmen der Maske neu erlernen :-).
Wir spazierten entlang des Strandes zurück zum Dock. Im dortigen Snack konnten wir etwas Trinken und das WLAN nutzen. Nach 5 Wochen Abstinenz gab es einiges zu lesen und zu berichten.
Essen kann man hier natürlich auch. Für mich gab es ein Steak mit Pommes. Sheila traf mit Sashimi die bessere Wahl. Jedes Essen kostet im Snack 1000 XPF, dass sind gerade einmal 8,50 EUR. Für den üppigen Teller ein Schnäppchen.
Etwas später gesellten sich ein paar musikalische Polynesier zum Snack. Sie bescherten dem überwältigend emotionalen Tag ein perfektes Ende.
