Die 24 Stunden von Mindelo
Unsere Marina liegt in Mindelo auf der Insel São Vincente. Diese wiederum liegt im Nordwesten der Kapverdischen Inseln und ist daher ein idealer Anlaufpunkt für alle Segler, die in die Karibik möchten.
Vor etwa 15 Jahren wurde die Marina von einem deutschen Auswanderer errichtet. Seitdem wächst sie stetig. Direkt am Steg befindet sich eine schwimmende Bar, in der sich die Crews über Ihre bevorstehenden Pläne austauschen. Vermutlich ist es genau das, was die Marina für mich so besonders macht. Es liegt ein Hauch von Abenteuer- und Aufbruchstimmung über der Bar und der gesamten Marina.
Seit einiger Zeit legt ein Ableger ARC (Atlantic Rally for Cruisers) einen offiziellen Zwischenstopp in der Marina ein. Obwohl die diesjährige Rallye bereits gestartet war, lagen noch ein paar Teilnehmer im Hafen, weil ihre Schiffe nicht rechtzeitig repariert werden konnten. Reparieren … deswegen waren wir ja auch hier. Leider blieb nicht viel Zeit zum Eintauchen in die Stimmung. Ich machte mich kurz nach dem Anlegen auf den Weg in die Stadt, um nach einer neuen Fall Ausschau zu halten. Die beiden Geschäfte, die dafür in Frage kamen, waren aber eher etwas für den Anglerbedarf, so dass ich mit nichts außer ein paar kurzen Eindrücken von einer bunten, lebensfrohen, aber teils auch sehr armen Stadt zurückkehrte.
Auf dem Steg zog gerade eine Friseurin von Schiff zu Schiff und suchte nach Haarschneideopfern. Die Idee finde ich Klasse. So kann man sich als Tramper seine persönliche Kasse ein wenig aufbessern. Leider sind meine Haare noch zu kurz, also kein Bedarf :-(.
Einklarieren
Am nächsten Morgen stand zuerst das Einklarieren an. Bisher war dies sehr einfach. In Europa muss man sich als Europäer nur in der Marina anmelden. In Agadir hatten die marokkanischen Zoll- und Einwanderungsbehörden Ihr Office direkt in der Marina. Hier in Mindelo läuft das etwas anders. Man muss zunächst mal auf die Suche gehen. Irgendwann wird man am Industriehafen fündig. Alle drei Institutionen liegen immerhin recht dicht beieinander. Aber jedes hat sein eigenes Büro und seine eigenen Formulare. Es ist nicht einfach, sich nicht über diesen Unsinn aufzuregen, aber sehr sinnvoll. Die Kollegen auf der anderen Seite sitzen definitiv am längeren Hebel. Also Klappe halten, Unterlagen raus und abpinseln! Ich verkneife mir auch die Frage, ob ich die Zettel gleich selber auf diesen Stapel packen soll:
Der Fall mit der Fall
Zurück in der Marina erstand ich in ihrem kleinen, aber gut sortierten Chandler eine Fall für schlappe 500 EUR. Etwa doppelt so teuer wie in Deutschland. Diese galt es nun irgendwie durch den Mast zu fädeln. Ich zog mir also den Klettergurt an, den ich anstelle eines Bootsmannstuhls gekauft hatte. Auch wenn Sebastian oft klettert und sich ebenfalls anbot, wollte ich es selbst probieren. Schließlich ist er nicht immer dabei. Nachdem mich Michael mit der elektrischen Wind etwa zwei Drittel der Strecke hochgezogen hatte, änderte ich meine Meinung …
Als Sebastian oben ankam, versuchten wir mit diversen Mitteln, eine dünne Leine von oben nach unten zu lassen, mit der wir dann die Fall hochziehen wollten. Alle Versuche schlugen fehl. Nachdem Sebastian nun schon über eine halbe Stunde unter blauem Himmel in knapp 20m Höhe baumelte, wollte ich ihn wieder herunterholen. Sein Ehrgeiz war aber noch größer als die Erschöpfung. Also machten wir noch einen Versuch. Dieses Mal nutzten wir die Dirk und siehe da, es funktionierte. Wir bekamen eine Service-Leine nach oben, Sebastian fädelte diese auf die andere Seite zur Rolle für die Spifall. So konnten wir die Fall mit der Serviceleine wieder nach unten ziehen. Nach insgesamt einer Stunde auf dem Mast bekam Sebastian endlich festen Boden unter die Füße. Zu meinem Erstaunen brauchte er kein Wasser sondern erst einmal einen Rum. Den hatte er sich auch verdient. Wir halfen natürlich mit :).
Aufbruch
Nach ein paar weiteren kleinen Wartungsarbeiten, Proviantierung und Reinigung hatten wir noch ein Stündchen Zeit, die jeder für sich verbringen konnte. Während sich Sebastian von seinem Masteinsatz erholte, zog Michael los und frönte seinem Geocaching-Hobby. Ich versuchte in der Zeit, soviel Atlantik-Abenteuer-Stimmung wie möglich aufzusaugen und nutzte das WiFi der Marina-Bar zur Aktualisierung der GRIB-Dateien für unser Atlantik-Wetter. 24 Stunden nach unserer Ankunft in Mindelo legten wir wieder ab. Auf dem Weg aus der Marina füllten wir noch schnell den Dieseltank. Dann ging es auf die längste Teilstrecke der ersten Etappe: Mehr als 2000 Seemeilen quer über den Atlantik.