Verflixt – die Zeit
Ahoi Ihr Lieben, nein, es gibt nicht „nichts Neues“ von mir und der Aurelia. Die noch laufenden beruflichen Projekte, die Vorbereitung daheim und die Vorbereitung der Aurelia vor Ort binden mich derzeit so sehr, dass ich den Blog/Vlog leider viel zu sehr vernachlässige. Ich hoffe, mehr Zeit für Euch zu haben, wenn es dann einmal losgeht. In jedem Fall wird es häufiger kurze Updates geben, allerdings nicht während der Atlantiküberquerung, bei der wir nur sehr eingeschränkt online sind, um Wetterdaten, Positions- und Lebenszeichen auszutauschen. Doch nun zum Update. Was ist seit Mai passiert? Zunächst mal bin ich vom Im-Laden-Käufer zum Online-Handel-Konsumenten mutiert. Es gab in den letzten 3 Monaten sehr viele Ausgaben zur Vorbereitung des Segel-Abenteuers. Glücklicherweise bleibt bisher alles im dafür vorgesehenen Rahmen. Zu den Highlights:
Taufe
Noch im April wurde das Schiff von Carefil2 auf Aurelia umgetauft. Damit dies kein Unglück bringt, mussten ein paar traditionelle Regeln befolgt werden, auf die ich gern einmal in einem gesonderten Blog näher eingehen möchte. Nur soviel: Wir haben die alte Carefil2-Macoui betrunken gemacht, überfahren und erschossen ;-), damit sich die neue Aurelia-Macoui an unserem Heck verbeißen kann.
Solaranlage
Schwer einzuschätzen, wie lange man auf dem Schiff für Installationen benötigt, wenn man noch keines gehabt hat. Meine Erfahrung aus den ersten Projekten: Konservativ schätzen und mit 3 multiplizieren! Zunächst wurden die 48V-LiFePO4-Akkus, die Wechselrichter für 230V und 12V sowie der Solarladeregler in die bestehende Elektro-Infrastruktur integriert und unter den Steuerbord-Kojen verbaut. Inklusive Kabel suchen/ziehen und für jedes nicht vor Ort befindliche Schräubchen den 2 km entfernten Baumarkt oder den 4km entfernten Yachtshop anzuLAUFEN, waren 5 Tage gerade genug.
Solardach
Gern hätte ich das Solardach von einer Fachfirma installieren lassen. Aber die zwei Firmen, die ich ausgewählt hatte, haben mich nicht überzeugen können und die dritte habe ich leider viel zu spät kennengelernt. Also hieß es auch hier: Selbst ist der Mann. Nachdem die 7*6m langen Edelstahlrohre mit einem Spezialtransport nach Locmiquelic geliefert wurden und ich mir eine Biegemaschine zugelegt habe, fand die Biegung des ersten Rohres ein jähes Ende, als ich feststellte, dass die eingepackten Biegeeinsätze der Maschine den falschen Durchmesser hatten. Der Fehler konnte dann per 24h-Express-Lieferung korrigiert werden, aber die Zeit bis zum Eintreffen den ersten Mitsegler war zu kurz und die Rohre ohnehin viel zu schwer zu biegen für eine Person. Also halfen mir Michael und Nicole bei der Installation, wofür ich ihnen sehr dankbar bin. Allein wäre es zeitlich und technisch nicht zu schaffen gewesen.
Ursprünglich wollte ich 3 Solarmodule auf dem Dach installieren. An Tagen mit ausgeprägter Flaute sollte es 3 weiter aufnehmen. Auf der Zeichnung sah es auch ganz gut aus. In der Realität bin ich davon leider weit entfernt. Jetzt sind zunächst 2 Module installiert und müssen ihre Sturmfestigkeit erst einmal unter Beweis stellen.
Strom liefern sie jedoch mehr als erwartet. Meist sind die Akkus weit vor Ende des Tages aufgeladen so dass ich bisher nur sagen kann, dass man auch bei durchwachsenem Wetter mit etwa 4 kWh pro Tag rechnen kann. Das sollte für Instrumente, Kühlschrank und Kochen ausreichend sein. Mittlerweile ist das Boot seit 7 Wochen ohne Landstrom. Wir werden also jede Menge Diesel einsparen, da wir den Motor nicht als Generator nutzen müssen.
AIS
Da das passive AIS des Funkgerätes ohnehin nicht richtig angeschlossen war, installierte ich das aktive AIS gleich zu Beginn. Ich habe mich für ein Gerät mit Splitter entschieden, da ich so die Antenne auf dem Mast sowohl für Funk, AIS als auch den UKW/KW-Empfang nutzen kann. Das bietet zwar keine Ausfallsicherheit aber der gute Empfang vor einem potentiellen Ausfall war mir hier wichtiger. Eine Ersatzantenne kommt trotzdem noch vor dem Start an Bord.
AIS Class B mit Splitter AIS Transponder in Action
Ihr könnt die Aurelia jetzt übrigens in den diversen Schiffsradarseiten dieser Erde unter der MMSI 211244500 verfolgen. Ich nutze meistens www.marinetraffic.com
Sicherheitsausstattung die 1.
Ebenfalls in der ersten Woche kam so einiges an Sicherheitsausstattung am Schiff an. Hervorzuheben sind hier vielleicht die 6 hochseetauglichen Rettungswesten, ein Rescue-Sling-System, Dichtmaterial und Repartursets für hoffentlich nie auftretende Rumpfschäden .
Anker und Kette
Mit zur Sicherheitsausstattung kann man eigentlich auch die neue Kette zählen, die mit 60m fast doppelt so lang wie die bisherige ist. Sie hat sich zusammen mit dem Anker und weiteren Kleinteilen im Kofferraum von Nicole und Michael den Weg von Bremen nach Locmiquelic gebahnt.
Das interessante an der Kette: Es gibt DIN-Ketten mit 28mm und ISO-Ketten mit 30mm Innenlänge. Ankerwinchen, können oft nur eine der beiden optimal ziehen. Also welche nehmen? Natürlich die gleiche, die bereits an Bord ist! Also – Schiebelehre raus und nachgemessen – gar nicht so einfach, wenn man 1600km entfernt wohnt. Irgendwann hat es dann doch geklappt und was kam raus: 29mm. Super. Letztendlich hat sich herausgestellt, dass die Ankerwinch beide Typen und sogar Seile verträgt. Also ist es die ISO-Kette geworden. Diese wird nun mit einem 25kg-Bügelanker versehen, der sich sehr gut eingraben soll und mit dem höheren Gewicht auch mehr Sturmsicherheit bietet.
Sturmfock und Code 0
Auch wenn viele die Sturmfock noch nie eingesetzt haben, ist es besser, sie an Bord zu haben. Mit ihr kann das Schiff im Sturm stabil gehalten werden. Ich werde sie noch vor dem Start der 1. Etappe ausprobieren und Euch ein paar Fotos zeigen. Bisher haben wir jedoch nur das Code 0 getestet. Es wurde speziell für die Aurelia angefertigt und ist für mehrere Einsatzzwecke gedacht und geeignet. Genutzt habe ich es bereits als Leichtwindsegel. Mit dem zugehörigen Endlosfurler ist es schnell ein- und ausgerollt. Es kann daher sehr gut von leicht achterlichen bis Am-Wind-Kursen für Fahrt sorgen, wo die konventionelle Besegelung einen nicht mehr so recht vom Fleck bringt. Das spart Treibstoff. Als zweiter Einsatz ist geplant, das Code 0 als leeseitigen Teil eines Passatsegels zu nutzen während auf der Luv-Seite die Genua aufgespannt wird. Dafür ist es etwas höher geschnitten, damit beim Rollen des Schiffes keine Welle in das Segel schlägt. Gut möglich, dass wir die meisten Meilen der ersten Etappe in dieser Besegelung unterwegs sein werden. Ich bin schon sehr gespannt.
Windfahnensteuerung
Der dritte Einsatz in Locmiquelic sollte eigentlich der Installation der Windfahensteuerung vorbehalten sein. Doch dann kam alles etwas anders. Ich habe die nötigen Abstände zwischen Solardach und Windfahne nicht ausreichend berücksichtigt. Um ehrlich zu sein – ich habe während der ganzen Zeit nicht mit dem Hauch eines Gedanken an diese Abhängigkeit gedacht. Glücklicherweise hat Tom Logisch schnell eine Lösung parat und ich kann mir die zu tauschenden Bauteile am kommenden Montag in Berlin abholen. Hier wird es also noch ein Update geben.
EPRIB
Um im Falle eines Notfalls im Ozean gefunden zu werden, benötigt man eine Notfunkbake mit Satelliten-Funk. Dies ist die EPRIB. Sie wird mit der MMSI ( Maritime Mobile Service Identity) programmiert, so dass das zuständige Rescue Coordination Center die notwendigen Hilfsmaßnahmen einleiten kann. Ich hatte mich schon gewundert, warum ich mir die MMSI nach einmaligem Lesen merken konnte. Nach der Bestellung der durch den Lieferanten noch zu programmierenden EPRIB wusste ich, wieso. Sie ähnelt stark der Bankleitzahl meines Kreditinstituts. Glücklicherweise bemerkte ich rechtzeitig einen Zahlendreher der mir bei der Bestellung unterlaufen war (die EPRIB wird vom Lieferanten mit der MMSI kodiert). So konnte der SVB die EPRIB-Programmierung gerade noch so vor dem Versand aus bereits verpackten Paket heraussuchen und umprogrammieren. Ein dickes Dankeschön an dieser Stelle an die Mitarbeiter des SVB, die bereits mehrfach hilfreich und zuvorkommend gehandelt haben.
Weitere Installationen
Neben den oben aufgeführten Dingen gab es noch weitere Vorbereitungen und Installationen wie zwei Sicherungsleinen zum Einpicken, elektronische und Papier-Seekarten, Ersatz-Navigationsinstrumente, ein WLAN-Adapter für die Navigation auf mobilen Endgeräten, flexiblere Festmacher, Betten und Bettwäsche für die Mitsegler, Gläser, Ofen, Induktionskochplatte und und und.
Ausblick
In den verbleibenden knapp 60 Tagen stehen als größte Blöcke noch die Installation der Windfahnensteuerung und die des Watermakers an. Hinzu kommen viele kleine Projekte wie ein Sturm-Reff oder Trysail, ein Elektromotor für das Dinghy u.v.m. Fest steht jedoch: Ab dem 5. Oktober steht die Aurelia einsatzbereit im Hafen und wartet auf ein Wetterfester zur Überquerung der Biskaya.
EIN KOMMENTAR
Na, das ist ja deutlich mehr an Vorbereitungen als ich mir vorgestellt hatte.
Da war es bei Kolumbus wohl einfacher…