Einsame Inseln im Pazifik
Während meiner Streckenplanung war Panama ursprünglich nur Mittel zum Zweck. Um so überraschter war ich, welche traumhafte und reichhaltige Insellandschaft dieses Land bietet. Drei der Inseln konnten wir auf dem Weg nach Costa Rica besuchen. Doch zunächst ging es nach …
Panama City
Vorbereitungen
Schon auf dem Weg durch den Panama-Kanal stellte sich heraus, dass Tino, Linehandler und Cousin eines langjährigen Weggefährten meiner IT-Projekte, auf Grund des anstehenden verlängerten Lockdowns in Panama ebenfalls nach Costa Rica reisen möchte. Also bot ich ihm die Mitfahrt auf der Aurelia an. Tino sagte spontan zu.
Das tolle in Panama: Man kann ausklarieren und trotzdem noch mit der Crousing-Permit die Inseln besuchen. Zumindest für einige Tage. Genau das war unser Plan.
Den 30.12. nutzten wir für die Vorbereitung. Es war “Frauentag”. Das bedeutet: In Panama dürfen an diesem Tag nur Frauen einkaufen gehen. So versucht man hier, die Anzahl der Leute in den Supermärkten zu reduzieren. Also brachte ich Maya mit dem Dingy an Land, wo sie sich gemeinsam mit Tino auf den Weg machte, Diesel und Lebensmittel einzukaufen. Mit der obligatorischen Maske und neuerdings auch dem Schutzschirm war das sicher kein Spaß.
Ich nutzte die Zeit für einige Bootschecks. Außerdem brachte mir ein Mitarbeiter des Agenten die notwendigen Unterlagen zum Ausklarieren sowie das Cruising Permit, welches uns erlaubt, die panamaischen Inseln anzulaufen.
Sehr gefreut habe ich mich auch über einen kurzen Besuch der Zanzibar. Sie war am Tag nach uns durch den Kanal gegangen und stattete uns einen kurzen Besuch in der Bucht ab, bevor sie in die Flamenco-Marina einbog.
Silvester
Ausklarieren
Am letzten Tag dieses verrückten Jahres hatten wir viel zu tun. Gleich am Morgen ging es in die Flamenco-Marina zum Ausklarieren. Da unser Dinghy heut viele Stunden am Steg liegen wird, hatte ich Sorge um meinen Elektromotor und entschied mich, ihn auf der Aurelia zu lassen. Stattdessen hieß es: Rudern! Das funktionierte am Morgen auch recht gut. In der Marina angekommen, nahmen wir uns zunächst etwas Zeit für einen Abschied von den beiden Crews, die wir in der Shelter Bay kennengelernt hatten. Sie reisen weiter nach Norden. Dann ging es zum Ausklarieren.
Tino war inzwischen mit seinem Ausweis eingetroffen. Somit hatte ich alle Unterlagen beisammen und hoffte auf einen schnellen Ablauf. Stattdessen erwarteten mich neue Formulare bei Customs und eine mürrische Mitarbeiterin bei Immigration. Dank Mayas Spanisch-Kenntnissen konnten wir die beiden Hürden doch vergleichsweise schnell überwinden und mussten uns nicht allzu lange in den aus pandemischer Sicht schlecht geschützten Räumen aufhalten.
Ausflug durch die Stadt
Nachdem wir nun offiziell ausgereist waren, machten wir uns erst einmal auf zu einer kleinen Besichtigungstour durch die Stadt. Zunächst fuhr uns Tino durch das Hochhaus-Stadtzentrum von Panama-City. Vorbei an einem Fischerhafen ging es zum ehemaligen Trump-Tower und weiteren imposanten Gebäuden, die in mir einen schwer zu beschreibenden Mix aus Anerkennung und Ablehnung hervorrufen. Einerseits gut, dass Panama sich gut entwickeln kann, andererseits würde ich niemals in so einem sterilen Silo wohnen wollen. Hinzu kommt, dass das ganze Areal vermutlich mit den in anderen Ländern hinterzogenen Steuern errichtet wurde und sich streng von den ärmeren Regionen der Stadt abschottet.
Deutlich sympathischer hingegen ist mir Casco. Tinos Heimatstadtviertel ist deutlich älter. Hier gibt es viele Häuser im Kolonialstil, beeinflusst von etlichen weiteren europäischen Architekturformen. Auch wenn es hier etwas touristischer zugeht, wirkt es doch authentisch und geht nahtlos in die ärmeren Stadtviertel Panamas über.
Diese ließen wir zunächst im wahrsten Sinne des Wortes links liegen und begaben uns über eine Einkaufsmeile hinweg auf den Weg zum Cerro Ancon.
Unglaublich, wie viele Menschen heute unterwegs sind. Eigentlich war es ein Tag, an dem nur Männer einkaufen sollten. Da jedoch eine viertägige totale Ausgangssperre mit möglicher Verlängerung bevorstand, kümmerte sich kaum einer darum. Jeder versuchte, schnell noch ein paar Dinge zu erledigen oder seine Vorräte aufzustocken. Dieser Schuss gegen das Virus wird vermutlich nach hinten losgehen.
Cerro Ancon
Nach einigem Hin und Her am bereits teilweise abgeriegelten Cerro Ancon gelang es uns dann doch, auf seinen etwa 200m hohen Gipfel zu wandern. Von hier aus hat man eine phantastische Aussicht über die Stadt und die Bucht. Die Aurelia verschwand zu diesem Zeitpunkt leider hinter einer imposanten Regenfront. Die Tierwelt hier scheint recht intakt zu sein. Neben einem Reh gab es auch noch Adler und Agutis zu sehen. Die zahlreichen Affen konnte ich nur über meine Ohren wahrnehmen.
Auf dem Rückweg nach Casco nahmen wir den direkten Weg durch eines der ärmeren Viertel. Oft hört man von der Gefährlichkeit solcher Gebiete. Für mich schwer einzuschätzen, wie gefährlich es tatsächlich ist. Aber immer öfter drängt sich mir der Verdacht auf, dass man aus der Ferne heraus viel zu viel Angst schürt und es im realen Leben bei Weitem nicht so schlimm ist. Allerdings glaube ich auch, dass man hier im Falle eines Überfalls weniger zimperlich mit den Opfern umgeht.
Wir liefen also zügig zurück nach Casco. In Tinos Wohnung angekommen, brauchten wir zunächst eine kleine Verschnaufpause. Unsere Wanderung durch die Stadt war zwar nur 7km lang, fühlte sich aber durch den 200 Meter hohen Berg und die anschließende Hitze in der Stadt mindestens doppelt so lang an.
Anschließend brachte uns Tino zusammen mit weiteren Lebensmitteln, 40 Litern Diesel und seinem Gepäck zurück zum Steg, wo mein Dinghy unversehrt auf uns wartete. Wir hatten gerade alles im Schlauchboot verstaut, da fing es an zu regnen. Glücklicherweise befanden wir uns unter dem Zugang zum Steg und blieben somit vorerst trocken. Erst als die Sonne drohte unterzugehen, machten wir uns auf den Weg zur Aurelia. An zügiges Rudern war nicht zu denken. Das viele Gepäck schränkte den Radius der Ruder stark ein. Hinzu kamen Regen, Wind, Welle und Strömung, die sich gegen uns verschworen hatten. Nach endlosen 40 Minuten hatten wir es geschafft. Ich zerrte noch die Diesel-Kanister an Bord, dann fiel ich in meine Koje, unfähig mich auch nur noch ein bisschen zu bewegen. Ich war total erschöpft.
Silvesternacht
Der Regen hatte die Luft recht stark abgekühlt. Wir verbrachten den Abend im Salon und genossen um Mitternacht die vielen kleinen Feuerwerke über der Skyline von Panama City und stimmten mit unserem Horn in das Konzert der ankernden Boote mit ein.
An einen Landgang wie im Jahr zuvor in den Les Saints war auf Grund der Ausgangssperre nicht zu denken. Also stiegen wir alsbald in unsere Kojen.
Isla Bona
Am Neujahrsmorgen holte ich Tino vom Steg ab. Nach einer kurzen Einweisung, die sich auf die Sicherheit beschränkte, lichteten wir den Anker. Nach der Reinigung einer völlig verschlammten Kette und des Ankers ging es vorbei an den ankernden Frachtern und Tankern.
Maya ließen wir dabei rechts liegen und steuerten auf unser erstes Ziel zu: Isla Bona. Sie liegt südlich von Otoque und ist gänzlich unbewohnt. Selbst die digitale Seekarte des Plotters ist für diese Insel sehr ungenau. Während der Einfahrt in die Bucht konnte ich für einen kurzen Moment nachvollziehen, wie es sich wohl angefühlt hat, wenn man als erster eine einsame Insel erreicht.
Vor einigen Jahrzehnten gab es hier wohl mal einen Umschlagplatz für Eisenerz. Dessen Reste sind jedoch weitestgehend überwuchert. Das Ufer der einzigen Bucht fällt steil ab. Es gibt nur einen kleinen Bereich, auf dem man ankern kann. Auf Grund der fast vier Meter hohen Tide benötigt man mehr Kette als beispielsweise in der Karibik. Falls uns der Wind bei Niedrigwasser auf das Ufer drückt, könnte es zu flach werden. Also setzte ich noch einmal ein wenig zurück und fand so einen sicheren Platz.
Endlich war es soweit, wir konnten in den Pazifik springen. Was für eine Wohltat! Leider war der Spaß nur von kurzer Dauer. Viele Quallen trübten den Badespaß und machten die eigentlich geplante Reinigung des Rumpfes unmöglich.
Am nächsten Morgen ging es an Land. Zunächst vorbei an einer erschütternden Menge angeschwemmten Plastikmülls. Dann fanden wir einen Weg durch das Dickicht und genossen das satte Grün und den Ausblick auf den Pazifik.
Isla Jicaron
Noch am gleichen Tag nahmen wir Kurs auf die Isla Jicaron. Sie liegt südlich von Coiba und ist ebenfalls unbewohnt. Im Normalfall benötigt man eineinhalb Tage für die etwa 200 Seemeilen. Derzeit gibt es aber kaum Wind. So mussten wir über weite Strecken den Motor nutzen. Erst als am dritten Tag ein paar Wolken aufzogen, frischte es auf und wir konnten die Segel setzen. Es ist schon verrückt: Wenn sich im Atlantik oder in der Karibik solche Wolkentürme zeigen, holt man lieber schnell die Segel rein. Hier in der Calm-Zone ist es eher ein Signal zum Setzen. Wenige Zeit später bekamen wir einen blinden Passagier. Ein Hinweis auf schlechtes Wetter?
Kurz vor dem Sonnenuntergang begann es zu regnen. Kein Regen, wie man ihn bei uns kennt. Hier fällt das Wasser in solchen Unmengen herunter, dass man Schwierigkeiten beim Atmen bekommt, wenn man an der Sprayhood vorbei schaut. Es regnete so stark, dass ein kleines Löchlein von etwa 1mm Durchmesser am Backbord-Kompass ausreichte, um die Matratzen beider Heck-Kabinen am Fußende nass werden zu lassen. Der Wind wehte hingegen nicht stärker als mit 20 Knoten. Also eigentlich kein Grund, die Segel zu reffen. Allerdings sind 20 Knoten Wind und 20 Knoten schnelle Wassermassen etwas anderes. Um den Druck von den Segeln zu nehmen, refften wir kurz bevor es dunkel wurde. Leider holten wir wegen der schlechten Sicht die Reffleine nicht ausreichend dicht. Irgendwann in der Nacht riss auf Grund des bauchigen Großsegels das Lazyjack. Kein Drama, aber jemand muss morgen auf den Mast, um es zu reparieren.
Nach etwa 44 Stunden Fahrt erreichten wir die Insel. Die Ankerbedingungen in der riesigen Bucht sind sehr gut, solange der Wind nicht auflandig weht. Das tat er zwar, aber bei 4 Knoten ohne Aussicht auf ein Auffrischen machte ich mir keine großen Sorgen und ließ den Anker fallen.
Anblick und Geräuschkulisse waren fantastisch. Eine tropische Insel, wie sie im Buche steht. Mysteriöse Schreie aus dem Urwald zeugten von Brüllaffen und Papageien. Letzte Regenwolken hingen in Fetzen über dem kleinen Berg der Insel.
Nachdem wir uns sattgesehen hatten, begannen wir auch gleich mit der Reparatur. Zunächst ging Maya auf den Mast und anschließend auch noch ins Wasser, um das kleine Rädchen, welches die Geschwindigkeit durch das Wasser misst, von Algen und Schmutz zu befreien. Auch hier spürten wir Quallen. Mehr als ein kurzer Sprung ins Wasser war wieder nicht drin. Den Nachmittag nutzen wir für einen Landgang und spazierten entlang des etwa einen Kilometer langen Vulkansandstrandes. Ein kleiner Bach bot uns die Gelegenheit, einige Meter ins Innere der Insel zu gelangen. Links und rechts davon hätte man eine Machete benötigt. Kaum zu glauben, dass all diese Bilder vom gleichen Strand stammen:
Anschließend verbrachten wir einen ruhigen Abend auf dem Boot. Es gab viele Eindrücke zu verarbeiten.
Isla Coiba
Am nächsten Morgen lichtete ich, noch bevor Maya oder Tino aufstanden, den Anker. Wir mussten früh aufbrechen, da nur vormittags etwas Wind angesagt war. Er ließ uns jedoch wieder im Stich. Keiner von uns hatte Lust, so viele Stunden zu motoren. Also ließen wir auf halber Strecke in der weitläufigen Bucht Hermosa Ensenada unseren Anker fallen.
Noch am gleichen Tag machten sich Tino und Maya auf den Weg an Land. Ich gönnte mir eine kleine Pause auf dem Boot.
Als sie mit dem kleinen Dinghy zurückruderten, frischte der Wind ein klein wenig auf und auch die Strömung nahm zu. Das führte zu einer unheimlich großen Abdrift von etwa 70 m pro Minute. Nur ein wenig mehr und es wäre nicht mehr möglich gewesen, das Schiff mit Muskelkraft zu erreichen.
Als die beiden an Bord waren und ich ihnen meine Sorgen mitteilen wollte, zeigten sie mir, warum sie diesen Umweg fuhren. Ein riesiges Krokodil hatte ihren Weg gekreuzt. Auf dem Video ist es schwer zu erkennen, aber es gibt keinen Baumstamm, der sich gegen Wind und Strömung fortbewegt!
Am nächsten Morgen gingen wir noch einmal zu dritt an Land. Einerseits hatte ich größten Respekt vor den riesigen Krokodilen, andererseits wollte ich sie unbedingt vor die Linse bekommen. Das hat leider nicht geklappt. Stattdessen gab es wieder einmal Plastik in allen Größen. Von der gestrandeten GFK-Yacht bis zum kleinsten Schnipsel – kaum ein Meter ohne diesen Dreck. Das ist so bitter! Was die Verschmutzung der Erde angeht, ist es längst nicht mehr 5 vor 12. Darüber sind wir weit hinaus.
Natürlich versuchte ich trotzdem, ein paar schöne Eindrücke zu gewinnen. Das gelang mir letztendlich auch bis zu dem Moment, als es so aussah, als wäre die Aurelia auf Land getrieben. Ich nahm meine Beine in die Hand und war sehr froh, als ich aus kürzerer Distanz sah, dass es sich nur um eine optische Täuschung gehandelt hatte.
Am Abend “genoss” Maya zunächst ein Dampfbad in der Pantry. Anschließend gab es als Entschädigung einen exklusiven Platz in der Hängematte, um einen wunderschönen Sonnenuntergang zu beobachten.
Golfito Bay, Costa Rica
Die letzten 120 Seemeilen nahmen wir am Morgen des 7.1.2021 in Angriff. Zunächst hieß es wieder stundenlang motoren. Erst gegen Abend konnten wir die Segel setzen, mussten aber gegen den Wind kreuzen. Hinzu kamen ein paar Fischerboote, die uns trotz einer Wende immer wieder vor den Bug fuhren. Erst in den frühen Morgenstunden konnten wir die letzte Wende fahren, um mit Wind von Backbord in die Bahia Dulce hinein zu segeln. Ihr Eingang ist etwa 5 Seemeilen breit. Das hielt uns jedoch nicht davon ab, die einzige bis zum Horizont hin sichtbare Fischerboje mit einem deutlich hörbaren “Dong” an der Backbordseite zu passieren. Glücklicherweise waren die Netze auf der anderen Seite. So blieb uns ein Problem mit dem Propeller erspart.
Die Einfahrt fühlte sich an, als würde man jeden Moment ankommen. Dennoch dauerte es weitere vier Stunden, bis wir die Marina Banana Bay in der Bahia Golfito erreichten. Natürlich regnete es wieder. Trotz Regen und Feierabend ließ es sich Gabriela, unsere Costa-Rica-Agentin, nicht nehmen, uns am Steg zu empfangen. Sie übermittelte uns die wichtigsten Informationen: Samstag Vormittag kommt Immigration zur Marina, dann dürfen wir von Bord. Customs und Port wird am Montag erledigt.
So ging nach 370 Seemeilen eine überaus erlebnisreiche erste Woche des Jahres zu Ende. Es dauerte nicht mehr lange und ich fiel in einen tiefen und entspannten Schlaf.