Hakatea – Garten Eden oder Kannibalenbucht?
Am 25. März brachen wir zu fünft in die benachbarte Bucht Hakatea auf. Von hier aus erkundeten wir die kleine Siedlung der Nachbarbucht und das angrenzende Tal bis hin zu einer Schlucht, an deren Ende sich ein großer Wasserfall befindet. Auf Grund der Trockenheit führt er derzeit leider kein Wasser, dennoch sollte es eine sehr beeindruckende Wanderung werden.
Anfahrt
Für die sechs Seemeilen brauchten wir nur etwas mehr als eine Stunde. Die Einfahrt in die Doppelbucht ist mit fast 400 m zwar recht breit, wirkt jedoch viel schmaler. Links und rechts von uns brechen sich die Wellen am Fels und an den umsäumenden Korallenriffen. Am Strand der linken Bucht Hakaui sieht man ebenfalls nur brechende Wellen. Die wesentlich besser geschützte rechte Bucht Hakatea versteckt sich noch hinter den Felsen. Um zu vermeiden, dass die Aurelia von den Wellen aus dem Ruder gedrückt wird, nehme ich etwas mehr Fahrt auf. Rechts erscheint Hakatea. Geschützt vom Fels ist ihr Wasser völlig flach. Wir sind fast die einzigen. Nur ein weiteres Schiff liegt bereits hier. Wir lassen unseren Anker fallen und verbringen den Abend gemeinsam auf dem Schiff.
Siedlung Hakaui
Am nächsten Morgen machen wir uns beizeiten auf den Weg. Mein kleines Dinghy musste 2x hin und zurück, um die gesamte Crew an Land zu bringen. Von dort aus wanderten wir entlang des Ufers zur benachbarten Insel. Die Trockenheit lässt die wenigen Blüten der Sträucher kräftig leuchten. Der Weg führt uns vorbei an einem Friedhof und durch einen kleinen Bach, bevor wir die Siedlung erreichen.
Unterwegs erklärte mir Geertje, dass es hier vor vielen Jahren einen Mord an einem deutschen Segler gab. Ich kannte die Geschichte. Wie ein Blitz kam die Erinnerung daran zurück. 2011 wurde hier ein Segler tagelang vermisst. Später fand man seine verbrannten Überreste. Seine Frau konnte sich befreien und fand den Weg zurück nach Taiohae. Über den Fall wurde viel berichtet und die Bild machte sie zu einer Kannibalen-Story. Ich weiß noch genau, dass ich damals entschied, dass ich diese Bucht meiden werde. Nach 10 Jahren war der Mord aber völlig in Vergessenheit geraten. Nun bin ich genau hier gelandet. Oh weh ;-). Das zweite Verblüffende daran ist, dass ich wohl schon vor über 10 Jahren konkretere Gedanken an eine Weltreise hatte, als ich es mir damals eingestanden habe. Die Entscheidung fiel erst sieben Jahre später.
Die Siedlung besteht im Wesentlichen aus einem unbefestigten Weg, einer Telefonzelle, einem Autowrack und einigen wenigen bewohnten Grundstücken mit kleinen Hütten. Fast überall war ein Bewohner im Garten. Ich fand es unpassend, sie in ihrer Privatsphäre zu fotografieren. Den Mädels ging es wohl genauso, daher gibt es leider kein Bild von ihnen.
Am Ende der Siedlung fanden wir einen Hinweis auf die schaurige Geschichte. Eine Kroatin und ihr polynesischer Partner haben es zu ihrer Mission gemacht, die polynesische Kultur zu erhalten. Ob der ironische Name ihrer Website www.cannibal-art.com passend ist, weiß ich nicht, aber die Idee dahinter finde ich toll. Später haben wir die beiden auch gesehen, wussten zu diesem Zeitpunkt jedoch leider nicht, wer sie sind.
Auf dem weiteren Weg durch das Tal fanden wir auch Spuren einer längst vergangenen Zeit, in der es dicht besiedelt war. Der Ort war für die Polynesier einfach perfekt und gut geschützt. Umringt von hohen Bergen ist das Tal – abgesehen von einem schmalen Wanderpfad – nur von See aus zu erreichen.
Das war schon wichtig, bevor die Europäer im 16. Jahrhundert versuchten, die Insel zu erobern. Die polynesische Population wuchs auf Grund der paradiesischen Bedingungen sehr schnell und gelangte ebenso schnell an seine natürlichen Grenzen. Die Folge waren Stammeskriege, vor denen man hier Schutz suchten konnte. Diese Ära endete im 19. Jahrhundert, als viele Polynesier an europäischen Seuchen starben oder nach Peru und Chile verschleppt wurden.
Wenige Schritte später wurde die Landschaft immer idyllischer. Der Gedanke an den Garten Eden drängte sich mir auf. Mit diesem bin ich nicht allein. Der Autor von Moby Dick, Herman Melville, dachte das gleiche, als er eines der östlicheren Tale von Nuku Hiva besuchte.
Der Weg führte uns weiter entlang des Flusses, vorbei an vielen Mango-Bäumen, deren Früchte so nach und nach insbesondere Mayas Rucksack füllten. Wir überquerten zwei weitere Male den Fluss, bevor wir in die Schlucht des Wasserfalls abbogen.
Der Wasserfall
Die Vegetation in der Schlucht war eine völlig andere. Der Boden war so dicht bewachsen, dass man seine Füße nicht mehr sehen konnte. Die Bäume wurden kleiner. Durch das satte helle Grün fühlte sich man sich wie auf einer Frühlingswanderung. Von drei Seiten waren wir von Felsen umgeben, die etwa 500 Meter über uns hinausragten. Die Landschaft und ihre Akustik ließ uns nur noch flüstern.
Am Ende der Schlucht fanden wir wie erwartet einen versiegten Wasserfall vor. Lediglich ein kleiner Rinnsal floss am ausgewaschenen Felsen herab. Den Gedanken an ein Bad im Trog des Wasserfalls verwarfen wir schnell, als wir die Steine hörten, wie sie aus 500 m Höhe herunterpolterten und ins Wasser fielen.
Nachdem einige von uns den größten Brocken erklommen hatten, machten wir uns auf den Rückweg. Zurück in der Siedlung hielten wir bei einer Frau, die hier für Touristen kocht, wenn man zuvor Bescheid gibt. Wir nutzten den Stopp für ein Erfrischungsgetränk und deckten uns für die kommenden Tage mit Obst ein. Die frisch vom Baum gepflückten Pampelmusen halten viele Wochen. Ihr intensiver Geschmack ist mit dem der im Supermarkt gekauften nicht vergleichbar. Da wir auf so viel Obst gar nicht vorbereitet waren, probierten wir verschiedene Transportmöglichkeiten aus :-).
Nach unserer Erfrischungspause statteten wir noch dem hiesigen Strand einen Besuch ab. Von hier aus hat man noch einmal einen ganz anderen Blick auf das Tal.
Anschließend ging es zurück zum Schiff. Wir verbrachten einen weiteren Abend in der Bucht. Am nächsten Morgen regnete es endlich ein bisschen. Die Insel kann es gut gebrauchen. Wir machten uns auf den Weg zurück nach Taiohae, um Geertje zurückzubringen und die letzten Einkäufe vorzunehmen, bevor wir uns nach einem Abstecher in die Bucht Anaho auf den Weg zu den südlichen Inseln machen.