Kolumbien
Die Marina im kolumbianischen Santa Marta habe ich für eine Woche gebucht. Viel im Vergleich zu den Stationen auf der ersten Etappe. Viel zu wenig, um das tolle Land kennenzulernen. Ein paar ungeplante Wartungsarbeiten warteten auch noch auf uns.
Dienstag = Putztag
Maya, mein neues Crew-Mitglied wird so gegen Mittag eintreffen. Bleiben nur wenige Stunden, das Boot zu reinigen. Schließlich will ich nicht gleich am ersten Tag einen schlechten Eindruck hinterlassen :-). Also Schlauch raus und das Deck abgespritzt. Dann waren der Salon und die Kabinen dran. Schließlich nahm ich noch Bettwäsche und Handtücher aus den Vakuum-Tüten heraus. Eine praktische Sache, für Dinge, die auf einem Schiff möglichst trocken bleiben sollen und in den tiefsten Ecken verstaut werden.
Gegen 13:00 Uhr war ich fertig. Die kleinen Verschnaufpausen dazwischen nutzten mein Nachbar Dirk und ich, um uns über unsere Jeanneaus 439 und 409 auszutauschen. Er gab mir Tipps für die Pflege der Logge, ich konnte ihm die Remote-Fähigkeiten seines Plotters demonstrieren.
Kurz nach Mittag traf Maya ein. Seit über einem Jahr ist sie unterwegs und alles was sie zum Leben braucht, passt in einen gar nicht so großen Rucksack. Beeindruckend!
Nach einem Begrüßungsgetränk und dem Austausch unserer Geschichten im Schnelldurchlauf zeigte ich ihr das Boot vom Heck bis zum Bug. Ich hoffe, sie wird sich hier schnell wie zu Hause fühlen können.
Gegen Abend besuchten wir noch das nächstgelegene Burger-Restaurant und beendeten den Tag mit einer gemütlichen Runde unserer Bootsnachbarn. Ein seltenes Bild in Zeiten von Corona. Aber der Wind blies kräftig durchs Cockpit. So musste ich mir keine großen Sorgen machen.
Mittwoch – Inventur
Der Mittwoch verging wie im Flug. Die meiste Zeit des Tages verbrachten wir mit der Inventur der Lebensmittelvorräte der Aurelia. So bekam Maya gleich einen Überblick und wir konnten noch einmal die als nächstes zu verbrauchenden Lebensmittel in die leichter zu erreichenden „Bunker“, (Stauräume unter den Bodenplatten) verlagern. Am Ende kamen wir auf einen Bestand von 242.000 kcal. Das wären ca. 60 Tage Proviant für 2 Personen. 80 Tage, wenn wir uns von Anfang an einschränken würden. Im Notfall kämen wir also etwa 7.000 Seemeilen, bis wir von Wasser leben müssen. Das reicht noch nicht ganz über den Pazifik, viel fehlt aber nicht mehr.
In den Pausen organisierte ich einen Mietwagen und stimmte das Timing für die Wartung unsere Rettungsinsel ab. Morgen geht es mit ihr nach Cartagena.
Am Abend gab es Mayas erste vegetarische Reispfanne und einen Sundowner auf der Escape.
Donnerstag – Cartagena
Anreise
Nach dem Konferieren mit der Wartungsfirma Astimar schätzte ich die Chance, dass die Rettungsinsel noch am gleichen Tag fertig wird, auf etwa 50%. Um sie nicht noch geringer werden zu lassen, machten wir uns bereits kurz vor 6:00 Uhr morgens auf den Weg. An den handzuschaltenden Kleinwagen und den quirligen kolumbianischen Verkehr konnte ich mich relativ schnell gewöhnen. Gut so, denn spätestens in Cartagena musste ich alles geben, um mir den jeweils nächsten Meter der Straße zu erkämpfen. Um uns herum schwirrten die Mopeds scheinbar wie Neutrinos. Selbst durch unmögliche Lücken schienen sie widerstandsfrei hindurchzuschlüpfen.
Die Strecke nach Cartagena ist mit ca. 250 km abwechslungsreich. Zunächst geht es vorbei an hunderten Hütten. Ein beträchtlicher Teil ihrer Einwohner schein sich seinen Lebensunterhalt mit der Versorgung der vorbeifahrenden Laster zu verdienen. Ich habe hunderte Leute und Autos gesehen, aber keinen einzigen Verkauf. Das muss ein harter Job sein.
Vor einigen Monaten gab es genau hier einen schrecklichen Unfall, der um die Welt ging. Ein Tanklaster hatte sich überschlagen. Viele Menschen wollten sich gerade mit dem auslaufenden Treibstoff versorgen, als er explodierte.
Wenig später änderte sich die Landschaft. Wir sind unterwegs auf einem schmalen Damm zwischen Karibischen Meer und dem Brackwassergebiet „Ciénaga Grande de Santa Marta“. Die Landschaft ist wunderschön.
Wenige Meter später gibt es eine weitere Siedlung. Im Vergleich zu ihr leben die zuvor gesehen Anwohner noch im Luxus. Diese Hütten hier stehen bereits im Brackwasser. Ist das schon eine Folge des Anstiegs des Meeresspiegels? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.
Es ging weiter durch Barranquilla, vorbei an dreirädrigen LKWs mit fehlenden Reifen, einem quirligen Markt bis zur Werkstatt für unsere Rettungsinsel.
Wartung der Rettungsinsel
Hier wurden wir bereits erwartet. Die Insel wurde sofort geöffnet. So konnten wir gemeinsam den Inhalt prüfen. Viel ist nicht drin. Im Ernstfall sollte man zusehen, dass man noch genügend Zeit dafür hat, Wasser und ein paar Lebensmittel in die Insel mitzunehmen.
Auf alle Fälle gab es keine größeren Schäden, sodass wir sie wohl noch am Nachmittag abholen können. Die Erkenntnis war für mich eine große Erleichterung.
Cartagenas Altstadt
Nachdem wir unsere Handynummern getauscht hatten, begaben wir uns in die Altstadt. Sicherlich eine der schönsten, aber auch touristisch herausgeputzten Ecken der Stadt. Hier lass ich einfach mal die Bilder sprechen:
Rückkehr
Auf dem Weg zur Abholung der Rettungsinsel machten wir noch einen Abstecher in die Marina von Cartagena, die ich nach ursprünglicher Planung anlaufen wollte. Ich glaube, mit Santa Marta haben wir die bessere Wahl getroffen. Die Abholung der Rettungsinsel endete mit einer positiven Überraschung: Die Rechnung fiel niedriger aus als der Kostenvoranschlag. Insgesamt war ich nach all den vielen E-Mails und teils zögerlichen Antworten der Werkstatt von der Professionalität und Freundlichkeit der Firma positiv überrascht.
Nach einem langen Stau in Barranquilla und einer Polizeikontrolle kurz vor dem Ziel waren wir um 21:00 Uhr zurück in der Marina. Wir waren ganz schön k.o. Bis zur Koje vergingen nur noch wenige Minuten.
Freitag – Safety First
Nur noch 3 Tag bis zum Aufbruch nach Panama. Zeit für eine ausführliche Sicherheitseinweisung am Vormittag. Den Nachmittag verbrachten wir auf dem Wochenmarkt von Santa Marta. Dort wurde schnell klar, warum sich das Virus auch in Südamerika ausbreitet. Obwohl die Menschen im Freien sind, begegnen sie sich doch so häufig auf engem Raum. Hier hieß es für uns: Aufpassen!
Das machte es mir ein wenig schwer, das bunte Treiben in mich aufzusaugen. Für Maya ist es sicherlich schon Routine.
Am Abend warteten wir zunächst auf die Charon. Martin und Andrea kamen ebenfalls aus der Seru Boca Marina. Dort hatte ich sie nur kurz kennengelernt.
Nach ihrer Ankunft saßen wir gleich am Abend noch einige Stunden zusammen und begossen unsere Überfahrten. Ich würde mich freuen, wenn wir sie auf der weiteren Strecke noch häufiger treffen könnten.
Samstag – Wartungsaktivitäten
Logge
Im vorderen Teil des Schiffes befindet sich ein etwa 5cm großes Loch, in dem ein Sensor montiert ist. Er misst die Wassertemperatur, die Tiefe und die Geschwindigkeit durchs Wasser. Letzteres geschieht mit einem kleinen Rädchen, welches gern einmal zuwächst oder verkalkt. Ohne seine Daten werden Versatz durch Wind und Strömung sowie der wahre Wind falsch berechnet. Mitunter reichen ein paar Sekunden Rückwärtsfahrt, um es freizubekommen. Nach den vielen Monaten in der Marina war es an der Zeit, es einmal gründlich zu reinigen. Das heraus- und wieder hineinstecken ist eine heikle Angelegenheit, wie man auf dem kurzen Video unschwer erkennen kann:
12V-Akkus
Seit meiner der Fahrt nach Klein Curacao bin ich mir nicht mehr sicher, ob meine 12V-Bleibatterien den Pazifik und den indischen Ozean überleben werden. Sie haben einen relativen hohen Verbrauch bei der Erhaltungsladung, die Spannung fällt schnell ab und ich komme ohne die Unterstützung der Lithium-Batterien gerade noch über eine Nacht. Für den alten Zeitplan ohne Covid-Verzögerungen hätten sie ausgereicht. Durch diesen verflixten Virus wird ein Austausch wohl unumgänglich. Bei fünf Batterien á ca. 100Ah fällt die Entscheidung nicht nur wegen des Gewichts, sondern auch wegen des Preises schwer. Ein Abstecher in den nahegelegenen Yacht-Ausstatter brachte die Entscheidung. 5 x 95Ah für unter 1000 EUR. Besser wird es nicht. Kurz vor Ladenschluss kaufte ich alle fünf vorhandenen Batterien. Kurz danach tauschten wir sie bei gefühlten 50° C unter den Heckkojen aus. Dank der Mittagssonne konnten wir sie auch gleich im Anschluss vollständig aufladen. Wieder ein großes Wartungsfragezeichen weniger.
Abends in Santa Marta
Gegen Abend haben wir uns dann auf den wohlverdienten Bummel durch die Stadt begeben. Kurz zuvor hatte ich noch in einer Videokonferenz mit der Familie die trübe November-/Corona-Stimmung von daheim eingefangen. Gleichzeitig gibt es hier überall buntes Treiben. Zwar trägt selbst draußen nahezu ausnahmslos jeder eine Maske, dennoch ist es ein schwer zu begreifender Kontrast.
Sonntag – Am siebten Tage …
… wollten wir uns eigentlich entspannen und noch ein wenig den Strand erkunden. Nur noch ein paar kleine Abreisevorbereitungen: Segelmanöver besprechen, Sprayhood nähen – mal wieder, gründlicher Boots-Check und einiges mehr. So verging der Tag sehr schnell und endete mit einem fast vom Winde verwehten Abendessen und einem gemütlichen Abschiedsbierchen auf der Charon.
Morgen früh geht der Aufenthalt in einer der bisher freundlichsten Marina zu Ende. Wir brechen auf nach Panama. Nach aktuellen Informationen unseres potenziellen Agenten Eric sieht es so aus, als könnten wir unmittelbar vor oder nach Weihnachten im Pazifik sein.