Pazifiküberquerung – 1. Woche
Im Februar/März 2021 überquerte ich gemeinsam mit Sheila und Maya den östlichen Pazifik. Von der Isla del Coco, die etwa 300 sm vor Costa-Rica liegt, segelten wir in 5 Wochen 3.847 Seemeilen nach Nuku Hiva, eine Insel der Marquesas in Französisch-Polynesien.
Wer sich nun fragt, ob dies nicht langweilig war, kann sich auf den folgenden Seiten davon überzeugen, dass es zwar eine einzigartige Ausdauerleistung war, aber auch eine unvergessliche, abwechslungsreiche Zeit.
In der ersten Woche galt es, sich durch eine windarme Zone gen Süden durchzuschlagen.
11.02.21 Bye Bye Isla Del Coco
Bevor wir in See stechen konnten, mussten wir zunächst einmal entscheiden, welche Route wir nehmen. Im wesentlichen gibt es zwei Möglichkeiten: In der Zeit von September bis Februar segelt man am besten mit dem Passatwind der Nordhalbkulgel ca. 2500 sm entlang der Nordseite des Äquators und baut darauf, dass man dann nur noch eine schmale ITKZ durchqueren muss. Spätestens ab März ist es besser, sich zuerst so weit wie möglich nach Süden durchzuschlagen, um dort auf den bereits ab Februar immer stabiler werdenden Süd-Ost-Passat zu treffen. Auf Grund der günstigeren Meeresströmungen und der zusätzlichen Sicherheit, notfalls auf den Galapagos-Inseln einen Zwischenstopp einlegen zu können, entschieden wir uns für den letzteren Weg.
Den Zwischenstopp auf Galapagos wollten wir wenn möglich vermeiden. Dies würde auf Grund der Covid19-Pandemie viele bürokratische Hürden, Kosten und Zeitverluste mit sich bringen. Reisen wir dagegen direkt von Costa Rica ein, benötigen wir in Französisch Polynesien auf Grund der langen Strecke und der vorab eingeholten Genehmigungen weder eine Quarantäne noch einen teuren und außerdem schwer zu bekommenden PCR-Test. Nicht zuletzt bin ich heilfroh, eine Einreisegenehmigung für Französisch Polynesien erhalten zu haben. Eine Änderung des Antrages wollte ich unbedingt vermeiden. Die Entscheidung war goldrichtig. Nach Ankunft in Nuku Hiva erfuhren wir, dass ab etwa Mitte Februar keine neuen Anträge bewilligt wurden.
Die Wettervorhersage zeigte bis zu den Galapagosinseln wenig Wind querab. Mit Hilfe des Code 0 sollten wir so zumindest etwa 100 Seemeilen pro Tag schaffen. Also machten wir uns kurz vor 8:00 Uhr auf den Weg. Langsam aber stetig verkleinerte sich des letzte Stückchen Land, das wir für die nächsten Wochen zu Gesicht bekommen werden. Nachdem sich die erste Anspannung gelöst hat, gab es für die Crew erst einmal ein Nickerchen :-).
12.02.21 Mühsam südwärts
Wie schon auf dem Weg zur Isla Del Coco setzte ich das Ritual eines 8:00 Uhr Reports fort. Neben dem obligatorischen Logbucheintrag setzten wir auch eine Nachricht via Satellit an alle ab, die uns auf track.sailingaurelia.de, Facebook oder Twitter verfolgen. Kurz darauf setzte Flaute ein. Wir spielten mit dem Gedanken an eine Badepause, verwarfen diesen aber, nachdem wir hin und wieder eine spitze Flosse in der Nähe der Aurelia ausmachten. Dann erwischte uns auch schon der erste „Squall“ (eine kleine Schlechtwetterzelle mit wechselnden und zum Teil stark auffrischenden Winden).
Es blieb jedoch bei „sagenhaften“ 11 kn Wind. So konnten wir nur mit 3-4 Knoten segeln. Später musste erneut der Motor ran. Meine Diesel-Hochrechnung ergab, dass uns nach Abzug einer Notfall-Reserve und weiteren 2 Motorstunden pro Tag noch etwa 31 Motorstunden für Flauten wie heute bleiben. Die müssen wir uns gut einteilen.
13.02.21 Regenzeit
Eine pausierende Möve ließ Erinnerungen an den sinnflutartigen Regenschauer vor Isla Jicaron aufkommen. Wir machten uns zum Reffen bereit, konnten dann aber darauf verzichten. Immer wieder regnete es. Die Solaranlage gab gerade noch genug Strom ab, um neben der Versorgung der Bordelektronik eine warme Mahlzeit zu kochen. Gegen 15 Uhr drehte der Wind etwas zurück. Das ermöglichte uns endlich ein etwas schnelleres Segeln.
14.02.21 Kaltes Essen
Auch der 4. Tag auf See war begleitet von viel Regen und Wolken. Die Solaranlage lieferte nicht mehr genug Strom. So mussten wir heute auf warmes Essen verzichten. Darauf waren wir jedoch vorbereitet. Maya und Sheila zauberten uns zwei leckere Malzeiten. Leider haben wir es versäumt, unser abwechslungsreiches Essen besser zu dokumentieren. Dabei war es eines der Highlights dieser Überquerung. Insbesondere Maya hatte jeden Tag ein neues Rezept auf Lager. Das war mit Sicherheit ein großer Beitrag zur anhaltend guten Moral an Bord.
Ein weiterer wichtiger Faktor für unser anhaltend gutes Zusammenleben an Bord war der richtige Mix aus gemeinsamen Aktivitäten und Zeit für sich selbst. Letzteres nutzten wir zum Lesen, Yoga und etwas Sport, soweit das auf einer 12-Meter-Yacht möglich ist.
Ich nutzte viel meiner Zeit für Segel-Themen. Zum einen galt es einen Kurs um die Galapagos-Inseln zu finden, ohne in die 40-Seemeilen-Zone einzudringen, die dieses Unesco-Naturschutzgebiet umringt. Eine Landung in den Galapagosinseln hatten wir ja von vornherein aus vielen bereits genannten Gründen verworfen. Zum anderen galt es herauszufinden, welche Inseln und Atolle wir anlaufen wollen und können. Des weiteren wollte ich auch noch die Möglichkeiten der nächsten Etappe ausloten. Hierfür war mir wie schon oft Jimmy Cornells „Segelrouten der Welt“ eine große Hilfe.
Gegen Abend betrachtete ich die Wolken und entschied mich, trotz des geringen Windes die Segel zu reffen. Die Crew war wenig begeistert. Ich habe aber so meine Erfahrungen aus der Atlantiküberquerung und sollte Recht behalten. In der Nacht erwischte uns ein kräftiger Squall mit deutlich über 20 kn Wind. Dank des Reffs mussten wir keine ungeplanten Manöver veranstalten.
15.02.21 Überquerung des Äquators
Noch in der Nacht hatten wir uns bis auf einen Grad dem Äquator genähert. Mit unserem Süd-Kurs sind es damit noch ca. 60 Seemeilen. Der Wind wehte heute aus unterschiedlichen Richtungen. Somit hatten wir viele Segelmanöver zu absolvieren. Bei einem der Manöver sahen wir ein Fass dicht an uns vorbeischwimmen. Ich bin froh, dass wir es verfehlten. Man sieht immer mal wieder Dinge im Ozean schwimmen, obwohl man selbst bei geringem Seegang nur wenige hundert Meter weit sehen kann. Es muss unfassbar viel Müll auf den Ozeanen herumschwimmen. Es ist eine Schande, wie wir mit unserem Planeten umgehen.
Um 18:12 war es dann soweit. Die GPS-Daten zeigten 0°00,000N an. Große Zeremonien wollte keiner von uns veranstalten, aber wir wollten unsere erste Äquatorüberquerung gebührend feiern. Also suchte ich uns passende Musik und wir öffneten eine Flasche Wein. Doch wir hatten uns zu früh gefreut. Genau auf dem Äquator erfasste uns eine Böe aus der falschen Richtung und warf uns zurück auf 0°00,001N. Mit dem Weinglas in der Hand erwischte sie uns auf dem falschen Fuß. Dennoch gelang uns ein halbwegs akzeptables Manöver. Im zweiten Anlauf konnten wir ihn dann endgültig überqueren. Der Stimmung tat dies keinen Abbruch. Im Gegenteil. Wir feierten diesen ersten großen Meilenstein bis in die Dunkelheit.
16.02.2021 Kalt & Sonnig
Wir befinden uns nun südlich des Äquators. Zu dieser Jahreszeit steht die Sonne fast im Zenit. Wer nun denkt, wir segeln den ganzen Tag in Bikini und Badehose, den muss ich enttäuschen. Die Winde sind kühl und insbesondere Nachts müssen wir in voller Montour segeln und uns teilweise noch in eine Decke oder einen Schlafsack mummeln. Das war bereits im Atlantik so. Die Luft kommt aus den kühleren Regionen und dreht erst langsam Richtung West. Es wird noch einige Tage dauern, bis sie sich am Äquator erwärmt und uns auch nachts angenehmere Temperaturen beschert.
Wir ließen uns davon nicht die Laune verderben und nutzen das kühle Wetter für ein paar Runden UNO. Auch seglerisch hat das Wetter seine Vorteile. Wir befinden uns noch immer in der Calm-Zone. Ohne diese Schlechtwetterzellen herrschen nur 5-8 Knoten Wind. Zusammen mit dem Seegang zu wenig zum Segeln. Die Segel schlagen durch die Wellen viel zu sehr von einer Seite auf die andere. Mit den Zellen haben wir öfter Wind um 12 Knoten. So kommen wir immerhin ca. 90 Seemeilen pro Tag voran. Heute waren es sogar 107 sm. Allerdings habe ich von den wechselhaften Bedingungen und der geringen Geschwindigkeit so langsam die Nase voll. Es wird Zeit, den Passatwind der Südhalbkugel zu erreichen.
Am späten Morgen klarte es auf. Den ganzen Tag über blieb es sonnig. Für uns eine gute Gelegenheit, etwas Wäsche zu waschen und die Sonne zu genießen. Im Vergleich zu den letzten Tagen konnten heute doppelt so viel Solarenergie tanken. Genug, um die Akkus zu füllen und endlich wieder zu kochen. Wunderbar!
Erst gegen Abend wurde das Wetter wieder schlechter. Der Wind drehte immer mehr zurück, kam schließlich sogar aus NNO. Innerhalb weniger Sekunden frischte er auf und erreichte in Böen über 25 kn (der Wert in der Anzeige unten ist der Mittelwert der jeweils letzten 4 Sekunden). Eigentlich kein Grund zur Sorge, wenn man die Segelfläche entsprechend verkleinert. Wenn man allerdings tagelang mit durchschnittlich 8 Knoten Wind umgeht, fühlt es sich an wie ein Sturm.
17.02.21 Wo bleibt der Passatwind?
Die Nacht war anstrengend. Ständig wechselnde Winde zwangen uns zu mehreren Manövern in allen 3 Schichten. Für mich bedeutete das wenig Schlaf. Als ich dann am Morgen mit Sheila die Segel setzte und ihr einen Tipp für einen leichteren Umgang mit der Fall geben wollte, kam es wohl eher als ein Micro-Management-Kommando rüber. Erst ärgerte sich Sheila darüber, den Rest des Tages ich mich dann über mich selbst. Das Ausbleiben vernünftiger Segelbedingungen zerrt ein wenig an den Nerven, zumal wir kurz danach die Segel wieder bergen mussten, da der Wind nicht ausreichte um die Segel bei dem bestehenden Seegang mit Wind zu füllen. Sie schlugen so sehr hin und her, dass ich Angst um die obere Segellatte hatte. Statt dessen verbrauchten wir die restlichen Motorstunden, die ich für die erste Woche reserviert hatte.
Um 17:11 Uhr kam Wind auf. Alle drei hatten wir den gleichen Gedanken. Ist das jetzt endlich der Passatwind? Ich war mir fast 100% sicher, das muss er sein. Oder war es nur Wunschdenken? Egal – selbst wenn ein paar Zweifel angebracht waren- wir nahmen das starke Gefühl, dass wir die Ausdauerphase hinter uns gelassen haben, dankbar an. Schlagartig stieg die Stimmung. Selbst der Himmel zeichnete für uns eine Möve und bescherte uns einen wunderschönen Sonnenuntergang.
So ging die erste Woche auf dem Pazifik mit immerhin 635 Seemeilen trotz überwiegender Flaute mit einem guten Gefühl zu Ende.
EIN KOMMENTAR
Endlich Nachschub – toll Euch weiter fahren zu sehen