Tahiti – Eine Etappe geht zu Ende
Nachdem Lisa und Sheila von Bord gegangen sind, setze ich nun die Reise alleine fort. Passenderweise geht es nun zu den Gesellschaftsinseln. In dieser Inselgruppe leben fast 90% der Einwohner von Französisch-Polynesien. Mein erstes Ziel ist Tahiti. Hier befindet sich Papeete, die Hauptstadt von Französisch-Polynesien. Ein guter Ort, um die nächste Etappe vorzubereiten. Es gibt einiges zu reparieren, zu warten und einzukaufen. Die meiste Zeit wird aber wohl die Beschaffung der Einreisegenehmigung für das nächste Land in Anspruch nehmen.
Anreise
Doch zunächst heißt es erstmal, anzukommen. Bis Tahiti sind es ca. 250 sm, keine weite Strecke. Theoretisch sollten zwei Nächte dafür ausreichen. Da ich den Südpass von Fakarava jedoch erst so gegen 14:00 Uhr passieren konnte, könnten es durchaus auch drei werden.
Auch diese Überfahrt verlief weitestgehend unspektakulär. Da wir auf der Südhalbkugel nun fast Winter haben, steht die Sonne auch am Tage bei weitem nicht mehr im Zenit. Das macht sich doppelt schlecht auf meinem Solardach bemerkbar. Der Radarmast am Heck befindet sich im Norden und wirft fast den ganzen Tag einen großen Schatten auf das Solardach. Daher wählte ich immer mal wieder Kurs, der mich zwar nicht zum Ziel führt, aber dabei hilft, den Schatten vom Dach zu verbannen und meine Akkus wieder aufzuladen.
Ungewohnt war auch die Einteilung des Tages. Nach insgesamt 142 Tagen Frauenpower an Bord bin ich nun wieder allein für meine Verpflegung verantwortlich. Ich musste mich wieder neu in meiner Pantry orientieren. Vieles hatte in der Zeit eine neue Ordnung gefunden. Auch die Aktivitäten auf dem Vorschiff waren für mich nun keine Kommandos mehr, sondern Handarbeit.
Etwas Kurzweil bescherte mir ein Treffen mit der SY Lollypop. Ihre Crew hatten wir bereits in Tahuata getroffen. Es war der Katamaran, der direkt am Felsen ankerte. Wir nutzten die Gelegenheit, um uns über Funk auszutauschen. Die Glücklichen hatten vor langer Zeit eine Boje in der Marina Taina ergattert. Ich konnte weder in der Marina Papeete noch dort einen Platz bekommen. Auf Grund von Covid19 sind im letzten Jahr viele Schiffe und Crews in Tahiti angekommen, konnten aber nicht weiterreisen. Das führte wohl bereits zu einigen Spannungen zwischen den Yachties, den Behörden und teilweise auch den Einwohnern.
Am 29. April erreichte ich Tahiti. Ich versuchte zunächst, einen Platz in der Marina Papeete zu bekommen. Sie nimmt keine Reservierungen vor. Man muss nur zu einem günstigen Zeitpunkt ankommen. Donnerstag 10:00 Uhr ist ein solcher Zeitpunkt, doch die Marina war bis zur letzten Ecke voll. Daher fuhr ich zurück zum Pointe Venus und ließ dort meinen Anker fallen.
Das Ende der zweiten Etappe
Als ich im November 2020 meine Planung für die 2. Etappe machte, wollte ich Ende April in Tahiti sein. Nun bin ich hier, 2 Tage bevor der Mai beginnt. Ich denke, damit kann ich zufrieden sein. Zumal es in Covid19-Zeiten alles andere als einfach ist, von Land zu Land zu reisen. Etwa 6.500 Seemeilen bin ich in den 220 Tagen dieser Etappe gesegelt, habe auf 22 Törns viele nette Menschen kennengelernt und Dinge erlebt, von denen ich vor wenigen Jahren nicht einmal gewagt habe zu träumen.
Energie
Aurelia kam in dieser Etappe nahezu durchgehend ohne Landstrom aus. Lediglich nach dem Heilig-Abend-Koch-Event mussten wir kurzzeitig an die Dose. Die gesamte Bordversorgung mit Energie, einschließlich Kochen wurde also zu mehr als 99% solar erzeugt. Das Dinghy kam in dieser Etappe sehr oft zum Einsatz. Sein Elektromotor wurde zu 100% mit Sonnenenergie betrieben. Aurelia selbst war 1432 Stunden unterwegs. Etwas mehr als 80% davon unter Segeln. Für den Rest musste ich 469 Liter Diesel tanken. Nur ein Viertel dessen, was ich im gleichen Zeitraum daheim allein für das Heizen verbraucht hätte. Trotzdem ist es ein Wert, den ich gern weiter senken würde.
Multikulti
Auf dem Weg von Curacao nach Tahiti kam ich – nachträglich aus der Erinnerung gezählt- mit 122 Menschen aus 22 Nationen ins Gespräch. Vermutlich waren es deutlich mehr und wären noch einmal mehr gewesen, wenn es die Covid-Pandemie nicht gäbe.
Es sollte eigentlich unnötig sein, es zu erwähnen: Keiner von ihnen hat mich bedroht, angegriffen, ausgeraubt oder auch nur verbal beleidigt.
Als ich ganz zu Beginn meiner Planung im Spätherbst 2019 mein erstes Logo für das Abenteuer entwarf, fand ich es selbst ein wenig überzogen. Das war es aber nicht und das macht mich gerade sehr glücklich.
Tahiti
Pointe Venus
Die Bucht Matavai – mein erster Ankerplatz – liegt sehr weit im Norden, wird aber durch den Pointe Venus gut von vorherrschenden Winden geschützt. Der Schwell bricht sich in den vorgelagerten Riffen, die größtenteils unter Wasser liegen. Passagen zwischen den Riffen lassen ihn jedoch teilweise durch. Je nach Seegang kann es passieren, dass das Nachbarboot ruhig liegt, man selbst jedoch in einer lang gezogenen meterhohen Welle hin und her rollt. Das war glücklicherweise selten der Fall.
Erster Impfversuch
Ich nutzte die Tage zunächst, um mich auszuschlafen und an die Stille auf dem Boot zu gewöhnen. An Land scheiterte der erste Versuch, eine Impfung zu bekommen mit dem Satz “Wir impfen keine Fremden.” Dafür kann man Verständnis haben. Andererseits ist derzeit in Tahiti ausreichend Impfstoff verfügbar. Priorisierungen sind nicht nötig. Jeder der an einer der zahlreichen Impfstationen erscheint, bekommt seinen Pieks und ich denke, der Virus macht keinen Unterschied bezüglich der Herkunft seines Opfers. Im Gegenteil, impft man die mobilsten Menschen zuerst, werden neue Ausbrücke am schnellsten zurückgedrängt. Man könnte auch argumentieren, dass der Impfstoff mit europäischer Unterstützung und dank eines deutschen Unternehmens hierher gelangte, doch auch für dieses nationalistische Denkmuster habe ich nichts übrig.
Shopping
Ich ging weiter und fand ein gut ausgestattetes Einkaufszentrum, in dem ich sogar eine neue GoPro hätte kaufen können. Mein Exemplar hatte ausgerechnet unmittelbar vor dem Schnorcheln in der Südpassage des Fakarava-Atolls seinen Geist aufgegeben. Mit der Wasserdichtigkeit war es nach zwei Jahren Einsatz leider vorbei. Das Salzwasser hat ganze Arbeit geleistet. Die Kamera war nicht mehr zu retten. Letzten Endes war mir der Preis für die neue jedoch zu hoch.
Ich begnügte mich mit frischen Lebensmitteln und einer lokalen Daten-Sim-Card. Nun kann ich für etwa 16 EUR 21 Tage mit einem Datenvolumen von 10 GB im 4G-Netz surfen. In Deutschland bekommt man beim gleichen Anbieter nur ein Zehntel des Datenvolumens.
Ersatzteilbeschaffung mit zweitem Impfanlauf
Später ging es mit dem Bus nach Papeete. Dort fand ich verteilt auf mehrere Geschäfte alle Ersatzteile, die ich nach aktuellem Erkenntnisstand für die nächste Zeit benötigen werde. Sogar ein 3G-Radar von B&G wäre verfügbar. Leider ist der Hersteller Navico nicht in der Lage, über diesen Lieferanten einen Garantie-Tausch vorzunehmen. Ein Neukauf kommt für mich nicht in Frage. Also entschied ich mich mit einem weinenden und einem lachenden Auge, das Radar nebst Mast zu demontieren. Ich hatte es auf den bisherigen 12.000 Seemeilen ausschließlich nachts im Einsatz.
Das Radar gab mir oft ein sicheres Gefühl auf See, aber wirklich gebraucht habe ich es dank AIS nicht. Mir war es nicht gelungen, die Empfindlichkeit so einzustellen, dass es mich vor nahenden Schiffen und Küsten warnt. Entweder war die Empfindlichkeit zu gering oder es gab zu viele Fehlalarme. Gut geholfen hat es hingegen bei der Ankündigung von Regen. Darauf muss ich nun verzichten. Dafür liefern die Solarzellen nun dank des verschwundenen Schattens deutlich mehr Energie.
Während meiner Tour durch Papeete liefen mir Annie und Dirk über den Weg. Wie klein die Welt doch ist. Sie waren in Kolumbien meine Nachbarn in der Marina von Santa Marta. Wir verabredeten uns zum Mittagessen. Anschließend versuchten wir in Papeete unser Impfglück. Diese Mal schaffte ich es sogar, einen Stempel in meinen Impfpass zu bekommen. Der Rest sollte schnell gehen. Doch dann entschied sich der Arzt anders und begründete es damit, dass ich noch nicht lange genug in Französisch-Polynesien bin.
Zurück auf dem Boot tauschte ich Reff 2 und Spi-Fall durch die neu erworbenen Leinen. Damit habe ich nun wieder ein Ersatz-Großfall verfügbar. Auch das Spi-Fall sollte nun dank des größeren Durchmessers von 12mm länger halten, bevor es gekürzt werden muss.
Einen weiteren Landgang am Folgetag nutzte ich, um Diesel zu bunkern. Auf dem 1,5 km langen Rückweg wurden meine Arme immer länger und ich war sehr froh, dass auf halber Strecke ein Pickup hielt und mich bis zum Pointe Venus brachte. Dort legte ich erst einmal eine Pause ein und genoss das Treiben am Mini-Hafen für Dinghis, Wakas und kleine Fischerboote.
Airport Anchorage
Am 4. Mai wechselte ich zum Ankerplatz direkt an der Landebahn des Flughafens von Papeete. Offiziell darf man dort nur 24 Stunden ankern, mangels Alternativen wird diese Regel jedoch derzeit wohl nicht durchgesetzt. Nach einem letzten Einkauf am Pointe Venus wurde ich ohnehin von der Gendarmerie aufgefordert, den Platz zu verlassen. So fühlt man sich nicht unbedingt willkommen, aber es ist halt zu respektieren.
Anfahrt
Nachdem mich der Wind bis zur Hafeneinfahrt von Papeete getragen hatte, ging es nach der Anmeldung auf Kanal 12 durch den Hafenbereich und nach einer weiteren Freigabe durch Port-Control durch die nördliche Einflugschneise. Schließlich fand ich bei ca. 15 Meter Tiefe einen geeignete Platz für die Aurelia.
Der Ankerplatz ist deutlich offener. Weht der Wind leicht nördlich, wird er durch die Inselform verstärkt und zieht über den Ankerplatz. Während meiner Zeit erreichte er bis zu 38 Knoten. Meist wehte er jedoch aus Ost bis Südost. Dann liegt man hier sehr ruhig.
Leider ist der Weg bis zum Land sehr weit. Für mein Elektrodinghy ist das eine Herausforderung. Eine Fahrt zur 4 km entfernten Marina Taina ist bei Wind aus NO nicht möglich. Bei günstigeren Bedingungen dauert sie mindestens 45 Minuten. Nach dem Rückweg muss der Akku aufgeladen werden. Die kürzeste Distanz zum nächsten Anlegeplatz beträgt 2 km. Dort ist man jedoch nicht gern gesehen oder genötigt, an einer steinigen Ecke ans Ufer zu klettern.
Nicht desto trotz hat der Ankerplatz seine Vorteile: Es ist trotz des Flughafens recht ruhig, man hat ausreichend Platz und ist in Reichweite der Yacht-Dienstleister. Außerdem liegen hier auch Annie und Dirk.
Aurelia-Dinner mit Bekannten
Ich lud die beiden für den folgenden Abend zum Essen ein, zu dem sich auch noch Geertje gesellte. Wir hatten uns in Nuku Hiva kennengelernt. Sie war inzwischen auch in Tahiti/Moorea angekommen und verbrachte zwei Nächte auf der Aurelia. Schön, wieder einmal Gäste auf der Aurelia zu haben. Ich bereitete uns allen ein Bauernfrühstück. Mittlerweile eine sichere Bank meiner bescheidenen Kochkünste, sofern das Gericht nicht am Pfannenboden verharrt.
Dritter Impfanlauf
Am nächsten Morgen half mir Geertje mit ihren Französisch-Kenntnissen beim dritten Anlauf, eine Impfung zu bekommen. Und siehe da, dieses Mal klappte es. Nachdem ich der Ärztin erklärt hatte, warum ich bereits einen Stempel aber keine Impfung erhielt, entschuldigte sie sich für ihren Kollegen. Wir teilten die gleiche Einschätzung zur Impfkampagne. Die zweite Impfung wurde auf den 27. Mai festgelegt. Damit verschiebt sich zwar meine Weiterreise, aber die Erleichterung, geimpft zu sein, ist es mir wert. Die drei Wochen Wartezeit kann ich gut füllen.
Reparatur und Wartung
In den Tagen darauf stand die Reparatur der Genua und der Spayhood an. Außerdem organisierte ich eine Kontrolle des Riggs und die Motorwartung. Eigentlich wollte ich Kosten sparen und die Motorwartung alleine durchführen. Mir fehlte jedoch das richtige Werkzeug und die Erfahrung. Also griff ich auf einen Mechaniker von Sin Tung Hing Marine zurück. Das war eine glückliche Entscheidung. Beim Wechsel des Impellers stellte sich heraus, dass man in Curacao wohl einen nicht ganz passenden Typ eingesetzt hatte. Er hatte bereits zwei Flügel verloren, die nun irgendwo im Kühlkreislauf herum irrten. Nach dem Öffnen diverser Schläuche, fand sie der Mechaniker im Wärmetauscher und konnte sie herausfischen. Auch der Keilriemen hatte bereits einen Riss und musste getauscht werden. Ich hätte mich schwer getan, den Motor so weit auseinander zu nehmen.
Dann erschien der Rigger, der bereits bei Annie und Dirk zwei Wanten getauscht hatte. Ihr Boot ist nicht älter als meines. Daher war ich ein wenig gespannt, ob bei mir alles in Ordnung ist. War es! Der Rigger bescheinigte meinem stehenden Gut einen guten Zustand. Lediglich eine Backstage musste nachgespannt werden.
Einige Tage später barg ich die Genua und demontierte die Spayhood. Letztere hatte bereits das zweite Mal eines seiner Fenster verloren. Glücklicherweise hingen beide noch am “seidenen” Faden und sind nicht im Meer verschwunden. Ich brachte die Teile an Land, wo sie der Segelmacher in Empfang nahm. Wenige Tage später bekam ich die Genua mit frischem UV-Schutz und die Sprayhood mit neuen Nähten zurück.
Insgesamt kostete die Schiffswartung einschließlich Materialien ca. 3000 EUR. Damit bleibe ich zumindest in diesem Bereich im Rahmen des 2019 aufgestellten “Business”Case. Mit einem Tausch des Radars hätte ich deutlich darüber gelegen.
Die Zeit dazwischen nutzte ich für Landgänge, Treffen mit weiteren Bekannten, die Arbeit am Blog und Vorbereitung der weiteren Reise.
Planung
Mein nächstes Ziel wird Fiji (Fidschi) sein. Die Inselgruppe ist die einzige im westlichen Südpazifik, die derzeit Segler ins Land lässt. Das macht die Planung zwar einfach, doch eine Einreise ist kein Selbstläufer. Man benötigt eine Einreisegenehmigung. Diese erhält man nur über einen kostenpflichtigen Agenten, nachdem man eine Reihe von Informationen bereitgestellt bzw. für die Einreise vorbereitet hat. Dazu gehören:
- Custom Arrival Form, u. a. mit der bisherigen Reiseroute, Seriennummern der elektronischen Geräte und Motoren u.v.m.
- Immigration Arrival Form
- Health Declaration
- Pass
- Schiffszertifikat
- Biosecurity Report
- Liste der Lebensmittel an Bord
- Aktueller Covid-Test
- Ausklarierungsbescheinigung von Französisch-Polynesien
Ich versorgte den Agenten mit allen Unterlagen außer Covid-Test und Ausklarierung. Die erhalte ich erst kurz vor der Abreise. Die Krux dabei: Die Einreisegenehmigung bekomme ich erst nach Einreichung des Covid-Tests. Bis dahin hänge ich in der Luft und muss hoffen, dass alles gut geht. Mir fällt es nicht leicht, in dieser Schwebe die Zeit in den Gesellschaftsinseln zu genießen.
Nicht desto trotz geht es in Kürze nach Moorea, der Nachbarinsel von Tahiti. Anschließend zurück zur 2. Covid-Impfung und dann weiter nach Bora-Bora. Die bekannte Urlaubsinsel ist die westlichste in Französisch-Polynesien, von der aus man ausklarieren und Richtung Fiji starten kann.