Pura Vida en Costa Rica
Zwischen der atemberaubenden Woche in Panama und der anstehenden wochenlangen Pazifikpassage haben wir uns ein paar erholsame Tage in der Golfito Bay verdient.
Golfito
Zwischen der Bucht und den Naturschutzgebieten rings herum gibt es nur einen schmalen Landstreifen, den sich der Ort Golfito zu eigen gemacht hat. Fast alles in dieser Stadt befindet sich an der ca. 7km langen Hauptstraße entlang der Küste. Wie in einem Straßendorf reihen sich Geschäfte, Restaurants, Hotels und Wohnhäuser aneinander auf. Am Ende gibt es einen kleinen Flughafen. In dessen Nähe findet sich eine einmalige Besonderheit für Costa-Ricaner. Sie können hier zollfrei einkaufen. Das lohnt sich überwiegend für Haushaltsgeräte, Fernseher und Alkohol. Gin und Rum gibt es hier beispielsweise für deutlich unter 10 EUR pro Flasche.
Banana Bay Marina
Die Banana Bay Marina, in der wir nun für einen knappen Monat liegen, befindet sich fast in der Mitte der Küstenlinie. Die meisten Geschäfte finden sich linker Hand. Rechts gibt es mehr Wohnungen und Restaurants sowie einen bequemen Eingang in den Dschungel. Das Personal in der Marina ist, wie so oft in Südamerika, extrem freundlich. Allein wenn man morgens ihr Lächeln sieht, sind irgendwelche Sorgen gleich nur noch halb so groß.
Etwa die Hälfte der Boote am Steg sind Fischerboote. Daher werden wir oft von Pelikanen, Fischreiern und Raben-Geiern besucht. Eine schöne Variante des Hafenkinos:
Warum bleibst Du so lange?
Diese Frage wurde mir in den letzten Tagen häufiger gestellt. Hierfür gibt es vier wesentliche Gründe.
- Nachdem ich im letzten Jahr die Chance verpasst hatte, rechtzeitig vor den weltweiten Grenzschließungen in den Pazifik zu stechen, wollte ich in diesem Jahr frühzeitig in den Startlöchern stehen.
- Ich möchte unbedingt die Isla del Coco besuchen. Sie steht ebenfalls seit Jahrzehnten auf meiner “Löffelliste”. Ich denke mal, darüber werde ich in einigen Wochen ausführlicher berichten. Die Genehmigung kann man nur im Inland beantragen. Die Bearbeitung dauert mindestens 14 Tage.
- Wir sind noch auf der Suche nach einem 3. Crew-Mitglied. Auch das ist in Zeiten von Corona kein leichtes Unterfangen. Es ist auf den Knotenpunkten der Barfußroute viel stiller geworden. Wurde man sonst fast täglich gefragt, ist heute nur selten ein Weltenbummler auf der Suche nach einem Schiff. Wir haben über das Internet jemanden gefunden, der in wenigen Tagen hier eintrifft. Wenn es zwischenmenschlich passt, ist bald auch die 3. Kajüte der Aurelia belegt.
- Last but not least spielt auch das Wetter bzw. die Jahreszeiten eine wichtige Rolle. Bis zu den Marquesas kann man eigentlich das ganze Jahr segeln. Von dort geht es jedoch frühestens im April weiter, wenn man die Begegnung mit einem Zyklon nahezu vollständig ausschließen möchte. Hinzu kommt die Position der ITC. Müsste man dieses Flauten-Gebiet an einer ungünstigen Stelle komplett durchqueren, hat man entweder zu wenig Diesel oder zu wenig Nahrungsmittel an Bord.
Dschungeltour
Fast gleichzeitig mit uns erreichte ein von zwei professionellen Schiffsüberführern gesteuerter Katamaran die Marina. Nach einem gemeinsamen Abend bei Bier und Rum beschlossen wir, am nächsten Tag die Insel zu erkunden. Zunächst ging es mit dem Taxi hinauf zu einem etwa 6 km entfernten Punkt auf dem Berg nördlich der Bucht. Von hier aus ging es hinab zu einem kleinen Fluss mit mehreren ebenfalls recht kleinen aber schön anzuschauenden Wasserfällen. Zunächst wies uns ein recht deutlich sichtbarer Weg die Richtung. Später wurde die Vegetation dichter und dichter, der Weg steiler und rutschiger. Auf diese Art der Wanderung war ich weder kleidungstechnisch noch konditionell vorbereitet. Am Fluss angekommen, konnten wir uns zunächst einmal abkühlen.
Während Maya mit den Jungs noch etwas weiter flussaufwärts wanderte, machte ich mich so langsam auf den Rückweg. Mehrmals landete ich mit meiner guten beigen Landgang-Hose im rotbraunen Schlamm. Zweimal flog mir die Gleitsicht-Sonnbrille von der Nase und einmal landete mein Handy im Wasser. Mit einem Herzschlag nahe der Grenzfrequenz, ordentlich Frust im Bauch und wenig Luft in der Lunge gelangte ich schließlich wieder zurück zur Straße. Die restlichen 6 km Wanderweg waren dagegen ein Kinderspiel.
Das nächste Mal sollte ich mich besser vorbereiten. Ein Wanderrucksack, festes Schuhwerk und ein wasserdichter Beutel sind schließlich nicht umsonst an Bord. Am Ende waren wir fast gleichzeitig zurück in der Marina. Gut, dass ich früher gestartet bin.
Wanderungen mit Terry
Am 14. Januar machte sich Maya mit Ihrem Rucksack auf den Weg, Costa Rica per Fuß zu erkunden. Ich begnügte mich mit kleineren Ausflügen in der Nähe der Marina. Meist begleitete mich dabei Terry. Er war kurz zuvor mit seiner Segelyacht Altere hier angekommen. Er hatte eine lange Tour hinter sich, die in seiner Heimat Washington begann.
Mit uns trafen ein pensionierter Psychologe und ein Auszeit-Informatiker aufeinander. Eine gute Mischung für viele interessante Gespräche auf den täglich 5-10 km langen Wanderungen. Am Ende fanden wir sogar die ultimative Formel zur Heilung der Welt:
Man muss nichts weiter tun, als den R0-Wert für Hass und Rache unter 1 und den R0-Wert für Freundlichkeit über 1 zu halten. Mehr brauchte es nicht :-).
Abends genossen wir beim Sun-Downer die unterschiedlichsten Sonnenuntergänge. Eines Abends jedoch auch ein Feuer, welches die Crew eines ankernden Bootes abfackelte. Böse Erinnerungen kamen hoch: Als ich 2016 mit Freunden in Kroatien segelte, brannte direkt neben uns eine Motoryacht ab. Die einzige Person an Bord konnte sich zwar retten aber das Schiff war dem wortwörtlichen Untergang geweiht. So etwas möchte ich nicht wieder erleben. Wir waren nah dran, die Küstenwache zu informieren, als ich mit dem Fernglas erkannte, dass die Crew hier tatsächlich irgendetwas in einem alten Ölfass verbrannte. Verrückt!
Vorbereitungen für die große Fahrt
Wartungsarbeiten
Die Temperaturen in der Golfito Bay sind durchaus eine Herausforderung für mich. Nach 35 °C am Tage sinken die Temperaturen nachts auf 25 °C. Daran gewöhnt man sich schnell und gern. Um so schwerer fällt es aber, in der Hitze des Tages etwas sinnvolles zu tun. Bereits um 7:00 Uhr entwickelt die Sonne eine enorme Kraft und heizt das Schiff schnell auf. Den Steg kann man nur mit Schuhwerk betreten, wenn man sich nicht die Füße verbrennen möchte. Hinzu kommen die oft hohe Luftfeuchtigkeit und die Windstille. Letztere ist untypisch für den Januar. Die ITC befindet sich bereits teilweise deutlich über dem Äquator. Kurzum: Sinnvolle Arbeiten am Schiff lassen sich nur in den frühen Morgenstunden durchführen.
Saildrive
Im Großen und Ganzen konnte ich, abgesehen von den üblichen Wartungsarbeiten, nicht allzu viel finden, was zu reparieren wäre. Einzig der Ölstand des Saildrives bereitete mir Sorgen. Er war zu hoch. Das lag entweder an einer falschen Befüllung während der letzten Wartung in Locmiquelic (was mich nicht wundern würde) oder an einem Eindringen von Wasser entlang der Welle, die den Propeller antreibt. Letzteres wäre kein gutes Zeichen und würde unter Umständen erfordern, die Aurelia aus dem Wasser zu holen. Glücklicherweise ist in ihr bereits das deutlich verbesserte SD60 verbaut. Es verfügt gegenüber seinem Vorgänger über eine stabilere Kupplung und auch über eine Möglichkeit, das Öl vom Inneren des Bootes heraus zu wechseln.
Mit Spannung holte ich mit einer kleinen Handpumpe über drei Liter Altöl heraus und war erleichtert, dass darin kein Tropfen Wasser zu finden war. Nachdem neues Öl aufgefüllt und alles wieder verstaut war, musste ich erst mal meinen eigenen Flüssigkeitsverlust ausgleichen. Es war inzwischen schon wieder unerträglich heiß.
Wassertank und -maker
Die dauerhaft hohen Temperaturen zeigen auch im Wassertank ihre Wirkung. Ein leichter Schwefelgeruch macht sich kurz nach dem Öffnen des Wasserhahns bemerkbar. Zwar verschwindet er recht schnell und scheint daher noch kein großes Problem darzustellen. Allerdings möchte ich nicht warten, bis das Problem größer wird. Also kommen die Micropur-Tabletten zum Einsatz, die ich für so einen Fall an Bord habe. Sie helfen dabei, die Schwefelbakterien abzutöten. Außerdem werde ich eine Portion der Watermaker-Reinigungspulver opfern, um auf dem Pazifik ausreichend unbedenkliches Süßwasser produzieren zu können.
Es ist immer wieder ein schönes Gefühl, das richtige Mittelchen an Bord zu haben. Gleichzeitig aber auch ein schlechtes, da der Bestand schrumpft und in den nächsten Monaten schwer aufzufüllen sein wird.
Planung
Die Nachmittage verbringe ich häufig auf der Terrasse der Banana Marina. Hier sorgt ein Luftquirl über dem Tisch für ausreichend Kühlung. Die braucht man auch, wenn man sich um den “Papier”kram der anstehenden Pazifik-Passage kümmern möchte. Hierzu gehören unter anderem:
- Streckenplanung
- Klima- und Wetterprognosen
- Einreiseanträge für French Polynesia
- Verfolgen aktueller Covid19-Reisebeschränkungen
- Erstellen von Blog-Beiträgen
- Planung des Proviants
- Suche nach Crew-Verstärkung u.v.m.
Vergleichsweise schnell war die Anfertigung der Liste von Notrufnummern und Häfen erledigt. Davon gibt es nicht allzu viele auf den fast 4000 Seemeilen von der Golfito-Bay bis zu den Marquesas.
Alte und neue Unsicherheiten
So langsam steigt die Vorfreude auf traumhafte Inseln, interessante Kulturen, Strände, Korallen, tropische Wälder und mehr, aber auch der Respekt vor den Herausforderungen, die sich auf den vielen Wochen auf See ergeben. Haben wir an alles gedacht? Mit Sicherheit wird es das eine oder andere Problem geben. Nur welches? Wird es eines sein, dass wir gut bewältigen können?
Einen kleinen Vorgeschmack auf neue Unsicherheiten brachte bereits der gestrige Tag. Nachdem wir mit Sheila nun ziemlich sicher ein passendes drittes Crew-Mitglied gefunden haben, verzögert sich ihre Ankunft um 2-3 Tage. Gleichzeitig verschärft Französisch Polynesien seine Einreisebestimmungen. Touristische Reisen sind ab sofort nicht mehr möglich. Wir haben jedoch eine Ausnahmegenehmigung. Wird sie Bestand haben?
Es bleibt spannend.
4 KOMMENTARE
Hallo Jörg
Haben interessiert deine Artikel gelesen und wünschen euch viel Glück und tolle Segeltage sowie viele neue Eindrücke am Land.
Uli fliegt( hoffentlich) am 1.3 nach Curaçao und ich etwa 2 Wochen später. Wir sind auch mit unserer Atlantiküberführung nicht so sicher, ob alles klappt.
Liebe Grüße
Hallo Milena, vielen Dank. Grüßt mir Curaçao! Ich wünsche Euch eine schöne Zeit in der Karibik und eine gute Heimreise.
Hej Lillebror,
es hat wieder Spaß gemacht, deine Berichte zu lesen und die tollen Fotos anzuschauen.
Ich wünsche euch viel Spaß und eine gute Weiterreise.
Liebe Grüße in die Ferne!
Danke für die schönen Eindrücke von Deiner Reise. Es grüßen Dich alle, die versuchen Baustellen in Computer-Code zu tranformieren.