Griechenland
Nach unserem ungeplanten Aufenthalt in Zypern segelten wir bei immer noch kühlen Temperaturen nach Griechenland. Zunächst besuchten wir Gallini auf Kreta. Später ging es nach Kalamata im Peleponnes. Dort trennten sich dann – nicht ganz freiwillig – die Wege von Jakob und mir.
Kreta
Anfahrt
Bei unserer Abreise aus Zypern wurden wir dieses Mal nicht von einem Rettungshubschrauber besucht. Statt dessen überflogen uns zwei Kampfjets. Seit der Einfahrt in den Golf von Aden und mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs nahm die Militärpräsenz spürbar zu. Bei aller Freude auf die Heimat – im Pazifikraum habe ich mich in diesem Punkt wohler gefühlt.
Zunächst ging es auf ruhiger See mit dem Motor voran. Verspielte Delfine begleiteten uns auf den ersten Meilen. Jakob bereitete uns mit einer panierten Hähnchenbrust ein vorzügliches Abendessen. Erst in der Nacht verließen wir die Abdeckung von Zypern und konnten die Segel setzen. Bereits 24 Stunden später war es jedoch wieder vorbei mit Segeln. Mehr als die Hälfte der Strecke mussten wir den Motor nutzen.
Mit Anbruch der 3. Nacht erreichten wir die Abdeckung von Kreta. Der kalte Nordwind wurde schwächer, die Temperaturen angenehmer. Umso überraschter war ich, als uns am Morgen des 1. April eine Sturmwarnung erreichte. Ein Aprilscherz? Unwahrscheinlich! Leider konnte ich trotz größter Bemühungen keine Koordinaten aus dem verzerrten, extrem schnell und mit starkem Akzent gesprochenen Funkspruch entnehmen.
Mittlereile waren es keine 20 Seemeilen mehr bis Galini. Die kleine Hafenstadt befindet sich in der gut geschützten Bucht Mesaras. Dort würden wir sicher sein. Zuvor mussten wir jedoch noch um das Kap Litinos. Wenige Meilen westlich davon befindet großes Ölterminal, vor dem mehrere Tanker vor Anker lagen. Als diese plötzlich ihre Anker lichteten und sich auf den Weg in die Bucht von Mesaras machten, nahm ich die Sturmwarnung schlagartig ernst und legten ein paar Knoten zu. Gerade noch rechtzeitig umfuhren wir das Kap. Hinter uns wehte die Spray über die Wellen. Wir waren jedoch in Sicherheit.
Auf den letzten Meilen ging es vorbei an den Tankern und Frachtern, der hier inzwischen ebenfalls Schutz gefunden hatten. Jetzt hatten wir auch wieder Zeit und Muße, die schneebedeckten Berge Kretas zu bestaunen. So sieht also der Frühling im Mittelmeer aus. Den hatte ich mir deutlich wärmer vorgestellt.
Galini
Hafen
Der Hafen von Galini ist recht klein. Er wird hauptsächlich von einheimischen Fischern genutzt. Eine Marina gibt es hier nicht. Gelegentliche Besucher können jedoch an der Innenseite der Mole festmachen. Theoretisch gibt es auch Wasser und Strom. Dafür benötigt man jedoch längere Schläuche und Leitungen. Dank unseres Solardachs und einem gut gefüllten Wassertank brauchten wir keines von beidem.
eTEPAI
Gleich nach dem Anlegen machte ich mich auf den Weg zum Hafenmeister, um die Einreiseformalitäten zu erledigen. Zoll und Immigration waren schnell erledigt. Wir sind ja bereits in der EU. Kompliziert wurde es mit dem Cruising-Permit. In Griechenland heißt es eTEPAI. Dieses katastrophale Bürokratiemonster ist für mich fast ein Grund, nie wieder in griechische Gewässer zu segeln.
Anstelle der Entrichtung einer Gebühr beim Hafenmeister muss man zunächst auf einer Website einen Account einrichten. Als nächstes kann man sein Schiff registrieren. Im dritten Schritt muss man die Monate auswählen, für die man bezahlen möchte. Dann geht es aber nicht zur Bezahlung, sondern man bekommt zwei PDFs zugeschickt, in denen man einen Zahlencode für die Überweisung per Bank suchen muss. Wer jetzt denkt, dass in einem der Dokumente steht, wohin man das Geld überweisen muss, hat die Idiotie der Bürokratie unterschätzt. Die Bankverbindung muss man sich aus dem Internet heraussuchen. Ich wurde auf der Blogseite eines Seglers fündig. Die BIC lautet BNGRGRAA, die IBAN GR1201000230000000481090510.
Hinzu kommt, dass die Gebühr bereits vor Einreise zu überweisen ist. Der Hafenmeister hätte mir eine Strafgebühr von 400 EUR ausstellen können. Stattdessen half er mir durch den Prozess so gut er konnte.
Am Ende stellte sich heraus, dass ich trotz seiner Hilfe nur den Mai und nicht bis Mai bezahlt hatte. Des Weiteren ist mir bis heute nicht klar, welche Länge hier anzugeben wäre. Die Länge des Rumpfes der Aurelia beträgt 11,99 m. Das führt zu einer Gebühr von 33 EUR / Monat. Die Länge über alles beträgt jedoch 12,34 m. Hierfür wären bereits knapp 100 EUR / Monat fällig.
Covid-Test
Nachdem die Einreiseformalitäten erledigt waren, war ich schon fast wieder aus der Tür, als dem Hafenmeister doch noch einfiel, uns nach den Impfzertifikaten zu fragen. Auch hier wurden unsere Dokumente aus Französisch-Polynesien und Fidschi nicht anerkannt. Somit hätten wir gar nicht von Bord gedurft. Der Hafenmeister wurde sichtlich nervös und meinte, wir hätten jetzt ein großes Problem. Letztlich entschied er sich dann doch für den einzig sinnvollen Weg und schickte uns zum Test in die nächstgelegenen Apotheke. Eine verschnupfte und hustende Mitarbeiterin nahm uns den Test ab und füllte ein ein Dokument aus, das erneut nichts mit einem gültigen Zertifikat gemein hat. Es reichte jedoch aus, um das Land legal zu betreten.
Galini-Stadt
Die Stadt selbst vermittelt einen angenehmen Charme. Das liegt meines Erachtens an der gesunden Mischung von Tourismus und Fischerei. Bis zum nächsten günstigen Wetterfenster zur Weiterreise verbrachten wir hier drei erholsame Tage.
Kalamata
Anreise
Am Morgen des 5. April begaben wir uns auf den Weg nach Norden. Ursprünglich wollten wir nur am Südwestzipfel des Peleponnes in einer Bucht übernachten, um anschließend weiter nach Sizilien zu segeln. Doch das Wetter machte uns erneut einen Strich durch die Rechnung.
Nachdem wir westlich von Kreta die Abdeckung verließen, konnten wir zunächst zügig nach Nordwest segeln. Dann frischte der Wind jedoch stark auf. Mit Einbruch der Dunkelheit wurde es nicht zuletzt durch die Gischt so kalt, dass ich den Kurs änderte. Mit einem südwestlichen Vorwindkurs gewannen wir in der ersten Hälfte der Nacht genügend Abstand zu den starken Winden. Gegen Mitternacht nahmen wir wieder Kurs gen Norden auf. Nach einer vollvermummten Nachtwache und einer wenig ermunternden Wettervorhersage entschied ich mich am Morgen, nach Kalamata zu segeln. 24h später erreichten wir die dortige Marina.
Bei der Einfahrt meldete sich ständig mein Tiefensensor. Mehr als 20 cm waren nicht mehr Platz unter dem Kiel. Aufkommende Böen veranlassten den Mariniero, uns den letzten geschützten Platz zwischen den Dauerliegern zu geben. Bei zunehmendem Seitenwind gelang uns das Einparken glücklicherweise im ersten Anlauf.
Covid-Erkrankung
Am nächsten Morgen war ich ein wenig frustriert, dass ich nach nur 50 Stunden auf See so erschöpft war. Sicherheitshalber wollte ich mir endlich meine 3. Impfung abzuholen. In der nächstgelegenen Apotheke erklärte man mir, welche bürokratischen Hürden zu überwinden sind, um als Deutscher in Griechenland eine zu bekommen. Es ist ähnlich schwierig wie in Zypern, aber möglich. Frustriert über diese uneuropäische Bürokratie ließ ich mich noch schnell testen, um sie so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
Während ich auf das Ergebnis wartete, wollte ich mich gerade noch über den damit zusammenhängenden Verpackungs- und Plastikwahn ärgern, dann war auch schon das Ergebnis da: POSITIV.
Das erklärte meine Erschöpfung. Ich begab mich zurück auf das Schiff, informierte Jakub über die Lage und versuchte, mich so gut es ging zu isolieren. Jakub ließ sich in den folgenden Tagen ebenfalls testen. Er blieb negativ.
In den nächsten Tagen hielten sich die Symptome in Grenzen. Neben leichtem Fieber und einem Schnupfen, der eine Küchenrolle pro Tag verbrauchte, ging es mir abgesehen einer schier unendlichen Schlappheit gut. Lediglich nachts plagten mich Muskelschmerzen, die ohne Tabletten kaum auszuhalten waren.
Getrennte Wege
Wir hatten mittlerweile den 10. April 2022. Daheim warteten meine Familie, meine Katzen und ein großer Stapel unerledigter Dinge. Darunter befinden sich mehr als 200 Briefe von Behörden und sonstigen Organisationen, die noch nichts von der Digitalisierung mitbekommen haben. Außerdem war auf Grund meiner aktuellen Erschöpfung noch nicht an eine Seereise zu denken. Schon gar nicht bei den immer noch niedrigen Temperaturen auf See.
Gern hätte ich Jakub noch bis Italien – dem Ziel seiner Weltumsegelung – gebracht. Das ist jedoch unter den jetzigen Voraussetzungen nicht möglich. Nach 232 gemeinsamen Tagen, in denen wir 11.593 Seemeilen zurücklegten und so einige Herausforderungen gemeistert hatten, trennen sich nun unsere Wege.
Nach einem Covid-bedingt umarmungsfreien Abschied machte er sich am Morgen des 11. April auf den Weg zur seiner Fähre nach Sizilien.
Wiedersehen mit Barbara
Kurz bevor Jakub in Fidschi an Bord kam, lernte ich Barbara kennen. Sie ließ damals ihre SV Islander zurück und verbrachte die Zyklonsaison in ihrer zweiten Heimat Griechenland. Seither hielten wir gelegentlichen Kontakt und stellten fest, dass wir gar nicht soweit voneinander entfernt waren. So besuchte sie mich kurz vor meiner Abreise in Kalamata. Noch war ich nicht negativ getestet. Also hielten wir uns ausschließlich draußen auf. Wir hatten uns viel zu erzählen und vergaßen dabei völlig, dieses Treffen auf ein Foto zu bannen.
Heimreise
Am nächsten Morgen überraschte mich der nächste Covid-Test mit einem negativen Ergebnis. So kann ich den bereits gebuchten, aber verloren geglaubten Heimflug doch noch antreten. In Windeseile packte ich meine Sachen und bereitete die Aurelia auf ein paar einsame Wochen vor. Nach dem Schließen aller Luken und Seeventile brachte mich Barbara bis Tripoli. Von dort aus nahm ich den Bus über den Kanal von Korinth bis Athen. Mit Einbruch der Nacht hob das Flugzeug ab Richtung Heimat ab. In Berlin wurde ich von meinem Neffen abgeholt. Kurz nach Mitternacht konnte ich dann nach 563 Tagen Abwesenheit den ersten meiner beiden Kater wieder in die Arme nehmen. Die Befürchtung, er würde mich nicht erkennen, verflog nach wenigen Augenblicken.