
Wartung des Schiffes
Nach ein paar faulen Tagen in Curacao und einem Heimaturlaub ist es nun an der Zeit, die Aurelia auf Ihre nächste Etappe vorzubereiten. Zur Wartung des Schiffes geht es in die Werft nach Willemstad.
Kontrolle des Riggs
Gleich am Montag nach meiner Rückkehr meldete sich Gijs bei mir. Er ist hier der Spezialist für das Rigg. Zu dessen Kontrolle muss sich das Schiff im Wasser befinden. Daher war es am besten, er macht dies gleich hier in der Marina. Wie erwartet wurde nichts gefunden. Das Schiff ist ja auch noch nicht so alt. Andererseits gab es auf dem Atlantik auch das eine oder andere Problem, das ich bei einem 5 Jahre alten Schiff nicht erwartet hatte. Nun kann ich zumindest die Rigg-Sorgen für den Pazifik ad-acta legen.

Ankerkette
Als nächstes wanderte die Zweitankerkette, die ich mit Thomas noch vor der Biskaya mühsam nach vorn verlagert habe, wieder in die hintere Backskiste. Das ist schlecht für den verfügbaren Stauraum aber gut für den Segeltrimm. Allein durch die 32 Meter Kette kam der Bug etwa 5 cm höher. Das verringert die Luvgierigkeit, mit der ich in den letzten Monaten öfter zu kämpfen hatte. Außerdem sticht der Bug etwas weniger in die Wellen ein. Das könnte die Geschwindigkeit um ein paar Zehntel Knoten verbessern. Bei der neuen 60-Meter-Kette zeigte sich ziemlich genau in der Mitte ein unverzinktes Kettenglied. Sehr ärgerlich. Inzwischen hat mir der SVB netterweise Flüssig-Zink zugesendet, so dass auch dieses Problem bald gelöst sein wird. Eine Edelstahl-Drahtbürste gab’s obendrauf. Der SVB überrascht mich immer wieder mit Kompetenz, Freundlichkeit und Schnelligkeit. Da können sich andere eine Scheibe abschneiden.

Auf zur Schiffswerft
Am Morgen des 16.3. machte ich mich auf den Weg zu Curacao Marine. Es war das erste Mal, dass ich mit dem Schiff allein unterwegs war. Aber nur für wenige Minuten. Zuerst führte mich der Weg zur Tankstelle in Spanish Water. Dort traf ich eine Begleiterin. Wir hatten uns über Instagram kennen gelernt und überlegten, eventuell gemeinsam nach Kolumbien bzw. Panama zu segeln.
Wir hatten gerade erst die Zapfpistole wieder zurück in die Säule gesteckt, da kam auch schon der erste Regenguss. Na ja, ich bin’s mittlerweile gewöhnt.
Zu zweit legten wir die fünf Seemeilen nach Willemstad zurück. Die Ponton-Brücke öffnete ohne Probleme, allerdings erst, nachdem wir ein weiteres Mal nass wurden. Auf dem Weg in die Bucht kam uns ein Frachtschiff entgegen. Ein kleiner Schlepper eilte sicherheitshalber herbei und half ihm, dem Bogen des Kanals zu folgen.
Das Anlegen klappte mit Unterstützung reibungslos. Bevor wir an Land durften, mussten wir zuerst einmal einige Fragen beantworten, damit man unser Infektionsrisiko einschätzen konnte. Nachdem wir das erfolgreich überstanden hatten, genossen wir die Erleichterung bei einem Oranjeboom.
Am Abend lernte ich dann noch meine Nachbarn kennen. Ein israelisches Paar auf einer nagelneuen Bavaria und eine kanadische Familie auf einem Katamaran. Letztere hatten nur wenig Zeit. Für sie geht es morgen aus dem Wasser und gleich zum Flughafen in die Heimat. Es sollte der vorerst letzte mögliche Flug sein.
Vom Liege- zum Stellplatz
Am Nachmittag des 17.3. war die Aurelia an der Reihe. Ich steuerte sie zur Slipanlage. Der Tiefensensor meldete unablässig sein Unbehagen ob der fehlenden Tiefe. Ganz vorsichtig näherte ich mich den seitlichen Klampen. Nach kurzer Wartezeit stand der Traktor bereit. Schaut Euch den entscheidenden Augenblick am besten selber an. Hier ist er in 10-facher Geschwindigkeit:
Direkt hinter der Slipanlage wurde die Aurelia mit Hochdruck gereinigt. Der Mitarbeiter der Werft war über den Silikonanstrich informiert und entsprechend vorsichtig. Gleichzeitig schien er recht verblüfft, wie leicht das Unterschiff zu reinigen war. Auf dem Stellplatz angekommen, schauten die anderen irritiert auf mein Unterwasserschiff und fragten, warum ich das Boot aus dem Wasser genommen habe. Einer blieb ungelogen 20 Minuten am Boot und wiederholte laufend „unbelievable“. Ich glaube, Hempel hat heute mit seinem Silic One ein paar neue Freunde gefunden. Einige kleine Stellen gilt es aber zu reparieren. Insbesondere im Kanal des Bugstrahlruders hatte die französische Werft in Locmiquelic ein wenig geschlumpert. Leider nicht das erste Mal. Eigentlich wollte ich den ganzen Frust um die dortige Werft vergessen aber das nachfolgende Ruder-Thema haut dem Fass den Boden aus – zumindest aus meiner Sicht.
Ruder defekt
Zu meiner Besichtigung des Unterwasserschiffs gesellte sich der Chefmeachaniker der Werft. Ich hatte so eine Vorahnung und ihn gebeten, das Ruderspiel zu prüfen. Seine Einschätzung: „Das kann so nicht bleiben. Das Spiel ist viel zu groß. Das ist auch nicht erst im letzten Jahr entstanden.“
Dabei hatte ich das Ruderspiel beim Kauf geprüft. Es gab keines. Nun fiel mir auch wieder ein, dass ich zu Beginn der Atlantiküberquerung ein Silikonstückchen an der Ruderwelle fand. Den einzigen Reim, den ich mir darauf machen kann: Jemand hat vor dem Verkauf der Yacht das Ruderspiel mit etwas Silikon kaschiert. Reparatur kann man das nicht nennen. „Vertuschen“ passt da wohl besser. Wenn dem tatsächlich so war, ist es eine Unverschämtheit.
Wie dem auch sei, es muss repariert werden. Nach dem Ausbau des Ruders wurde klar: Die äußere Schale des unteren Lagers hatte sich aus dem GFK gelöst. Das Ruder bewegte sich also nicht zwischen Kupfer und Edelstahl sondern zwischen GFK und Kupfer. Klar, dass der GFK im Laufe der Zeit abgeschliffen wird. Die Mechaniker vermaßen den Verschleiß mit Blech aus Cola-Dosen und klebten das Ruder mit Epoxy neu ein. Reichlich Fett zwischen Lager und Welle verhindert ein erneutes Festgehen.
Lockdown-Angst
Am nächsten Tag besuchten mich Bekannte aus Curacao. Vor unserem Abstecher zum nächstgelegenen Supermarkt übten wir uns in den neuen Begrüßungsritualien.

Die Corona-Regeln wurden von Stunde zu Stunde strenger. In das Marina-Office durfte man nur noch einzeln eintreten. Die von der Werft organisierten abendlichen Treffs waren bereits abgesagt. Der Schiffsverkehr zwischen den Inseln wurde weitestgehend eingestellt. Erste Gerüchte von einem Lockdown machten die Runde. Meine holländische Nachbarin verfolgte die neuste Pressekonferenz und übersetzte für mich das Wichtigste: Ein Lockdown wurde noch nicht verkündet, aber angedeutet.
Nachtschicht
Am 19.3. wurde viel gearbeitet. Die Mechaniker schlossen die Ruderreparatur ab und führten die Motorwartung durch. Ein weiterer Mitarbeiter half mir beim Abschleifen des Bugstrahl-Kanals und des Ruders der Windfahnensteuerung während ich die Anoden tauschte. Das wäre eigentlich noch nicht notwendig gewesen. Sie hatten kaum an Masse verloren und hätten locker ein zweites, vermutlich auch ein drittes Jahr gehalten. Warum müssen die Anderen jährlich wechseln? Liegt es vielleicht am Landstrom? Möglich wäre es. Durch meine Solaranlage war ich nur selten am Netz.
Als letztes musste ich auch noch die defekten Stellen des Silikon-Anstriches ausbessern. Je nach Schadensgrösse waren dazu 2 bis 4 Anstriche in vorgeschriebenen Intervallen nötig.
Auf Grund des drohenden Lockdowns hatte ich es eilig und wollte unbedingt noch vor dem Wochenende zurück in meine Marina. Zum einen fühle ich mich dort im Falle eines Lockdowns sicherer, zum anderen sind die Temperaturen in einem Schiff auf dem Stellplatz mit 40° C etwa 10° höher als im Wasser. Das heißt also: Nachtschicht. Ich stellte mir den Wecker zu den kürzest möglichen Intervallzeiten. Um 5:00 Uhr war der letzte Anstrich angebracht und konnte bis zur Wasserung lang genug trocknen.
Zurück in die Marina
Gegen Mittag des 20.3. waren die Formalitäten erledigt und die Rechnung bezahlt. Nach einem letzten Schwätzchen mit meinem Nachbarn bestaunte ich noch einmal sein Betonboot. Ja, Ihr habt richtig gelesen. Boote aus Beton existieren tatsächlich. Ich dachte bisher, es gäbe sie nur in Form von schwimmenden Plattformen oder ein paar Frachtern aus dem letzten Jahrhundert. Offensichtlich lag ich falsch. Direkt neben mir stand eines zum Anfassen. Der Eigner hatte es in den letzten Tagen mit viel Mühe, Schweiß und Unterstützung abgeschliffen. So konnte man das Material gut erkennen.

Kurz vor Mittag ging es für die Aurelia nach nur 69 Stunden an Land zurück ins Wasser. Selbstverständlich nicht ohne den zugehörigen Regenschauer.

Der Trimaran mit den massiven Segeln war unmittelbar vor mir ins Wasser gekommen (im nachfolgenden Bild links oben zu sehen). Gern hätte ich ihn mir etwas näher angeschaut, aber ich war zu beschäftigt. Die Gelegenheit wird leider nie wieder kommen. Das interessante Boot ist wenig später vor Curaçao gesunken.
[Update 17.9.2020: Der Trimaran „Angel B“ ist doch nicht gesunken. Er wurde einen Monat später vor der Küste Kolumbiens gekentert und entmastet aufgefunden. Hier gibt es ein kleines Video darüber.]

Unmittelbar nach der Wasserung begab ich mich auf den Weg in die Seru Boca Marina. Diesmal öffnete die Ponton-Brücke erst auf Anfrage per Funk. Bei der Gelegenheit informierte ich die Küstenwache über meine Rückkehr in die Marina. Der Schiffsverkehr war auf Grund der Corona-Kriese bereits weitestgehend zum Erliegen gekommen. Auch die Restaurants am Kai hatten geschlossen. Die Stadt wirkte die ausgestorben. Gespenstisch!

Gegen 15:00 Uhr legte ich erstmals „single handed“ und trotzdem ohne Probleme in der Marina an. Ich war froh, dass in dieser Woche alles so gut geklappt hat. Technisch steht der zweiten Etappe nichts mehr entgegen.